Die Impfung ist ein Segen! Trotzdem wird vieles anders.
Warum unsere Normalität auch mit Covid-Impfstoff eine andere sein wird –
und warum das am Ende sogar gut sein kann.
Ein Ausblick, eine Analyse von Reinhold M. Karner
Das Zauberwort heißt nun Impfung. Bis wir allerdings durch Impfungen eine rettende Herdenimmunität gegen Covid-19 (CoV) haben, wird es noch länger dauern. Trotzdem sollten wir uns für die Zukunft weltweit auf ein anderes Leben einstellen als vor der Pandemie. Dazu heißt es einen kühlen Kopf und die Geduld zu bewahren, vor allem wenn wir den wirtschaftlichen Folgen der Krise begegnen wollen. Zudem zwingt uns die Krise zu einer Haltungsänderung, die ohnehin längst überfällig ist. Am Ende könnten positive Folgen stehen – für Mensch, Natur, Wirtschaft und Klima.
Das Wichtigste aktuell ist: Finger weg von allen Verschwörungstheorien, aber auch von aller Verharmlosung. Hier geht es weder um Gut noch um Böse oder Moral. Es ist einfach, was es ist, ein Virus (CoV). Es kam aus der Natur, wie sich die Natur eben entwickelt. Arten verschwinden, andere kommen, verändern sich. Das Zusammenleben Mensch und Natur ist mancherorts optimal, mancherorts suboptimal oder auch schwer belastet.
Niemand auf der Welt, kein einziger Politiker ist schuld, kein Minister trägt die Verantwortung dafür, dass es dieses Virus gibt. Ja, es hätte eine Möglichkeit gegeben, ganz am Anfang rasch eine Art neue chinesische Mauer rund um den größten Ausbruchsort oder gar ganz China zu ziehen. Dazu hätte die Welt China wohl mit Milliarden unterstützen müssen, dafür, dass es als ganzes Land in Totalquarantäne kommt. Aber erstens wäre dies wohl kaum durchsetzbar und so schnell machbar gewesen und zweitens ist ein Virus schlussendlich auch in der Lage, eine Quarantänestation zu verlassen, es lässt sich nicht einfach einsperren.
Dieses Virus kam auch nicht zu pädagogischen Zwecken, um uns dazu zu erziehen, weniger Müll wegzuwerfen oder weniger Reisen zu machen, weniger Konsum zu betreiben. Das Virus ist Teil einer Natur - Punkt.
Das Problem dabei ist, dass die Koexistenz zwischen diesem Coronavirus und uns, im Gegensatz zu so vielen Bakterien, die für uns überlebenswichtig sind, z. B. in der Darmflora, nicht funktioniert. Daran ändern auch Stellungnahmen oder Demonstrationen dafür oder dagegen nichts.
Vielmehr sollten wir sehr dankbar sein, dass dutzende Teams an Wissenschaftlern in internationaler Kooperation schon seit vielen Monaten Tag und Nacht unter maximaler Anstrengung mit den besten Absichten für die Menschheit an den zahlreichen Impfstoffentwicklungen arbeiten. Viele von ihnen hatten schon frühzeitig erkannt, was dieses Virus für die Welt bedeutet. Sie wussten, dass CoV nicht ohne medizinische Gegenmittel in den Griff zu bekommen ist.
Inzwischen gibt es erste zugelassene Impfstoffe gegen Covid-19 (CoV) - dank der Herkulesaufgabe, im atemberaubenden Rekordtempo von nur ca. 1 anstatt wie früher 10-15 Jahren, diese zu erforschen und zu entwickeln und die Produkte samt Logistik bereitzustellen. Auf diesen Impfstoffen liegt nun alle Hoffnung, um die Covid-19 Pandemie zu besiegen.
Regierungschefs wie der britische Premierminister Boris Johnson oder Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz stellten daher bereits für Frühjahr/Sommer 2021 so etwas wie Normalität in Aussicht. Doch das wird trotz der Impfstoffe nicht so schnell und letztlich nicht in dieser Art kommen. Eine Normalität wie vor Beginn der Coronavirus-Pandemie wird es nicht geben. Und darauf sollten wir uns, müssen sich unsere Staaten und Gesellschaften jetzt einstellen.
Angesichts vieler Verluste geliebter Menschen durch Corona und angesichts der harten wirtschaftlichen Folgen für viele mag es verwunderlich klingen – aber wir dürfen trotz aller Kollateralschäden die Zuversicht nicht verlieren, nicht in Panik geraten. Im Gegenteil, wir sollten auch die gebotenen Chancen in der Entwicklung sachlich erkennen und annehmen: Klug ist es jetzt, die veränderten Rahmenbedingungen nüchtern zu bewerten und mit ruhiger Hand den erforderlichen Wandel flexibel und zügig zu vollziehen, dann wird es trotzdem ein gutes Ende finden.
Herdenimmunität nicht erreichbar bis Winter 2021/2022
Natürlich sagen Regierungen nach den Corona-Wellen und Lockdowns, sie sähen nun Licht am Ende des Tunnels. Ohne dieses politische Signal gehen die Menschen entweder in die Aggression oder in die Depression. Beides kann man nicht wollen.
Es war und ist ein enger Tunnel, ein Tunnel aus Disziplin, Zurückhaltung, Rückzug in die eigenen vier Wände, auf seine Kernkompetenzen, ein Rückzug in das engstmögliche Begegnungsnetz, das man sich vorstellen kann, ein Verzicht auf vieles, ein Minimieren von vielem. Ein Zurücknehmen des Lebens, der Gewohnheiten die wir für normal gehalten haben. Der Wochenendpartys, der Reisen, Kreuzfahrten, der spontanen Flüge zum Städtetrip, dem dort und da Essengehen, Kaffeetrinken, Shoppen. Das was unsere Normalität war ist im Moment nicht mehr die erwünschte Normalität.
Daher leben wir jetzt anders. Übrigens so, wie es für viele unserer Vorfahren normal war. Zuhause im engsten Kreis, mit relativ wenig Ablenkung, mit viel Zurückgeworfensein auf sich selbst und allerengste Vertraute, mit einem sehr kleinen Beziehungsnetz ohne Globalisierung.
Immerhin können wir heutzutage die digitalen Medien zur virtuellen Präsenz rund um die Welt nutzen. Aber wir erkennen, es braucht zum Ausgleich eines Lebens in oder mit der virtuellen Realität, dennoch die echte Hand eines echten Menschen, die echte Umarmung mit einem nahen Vertrauten, den echten Baum, die echte Wiese, das echte Tier.
Interessant daran ist der Lernprozess. Wir erkennen, dass ein Leben in der physischen, materiellen Welt in zumindest kleinem Maß für uns alle äußerst wichtig ist, jedoch in überzogenen Maßen in keiner Weise mehr so von Bedeutung ist.
Aktuell mehren sich allerdings die Signale, dass der Tunnel doch noch ziemlich lang sein wird. Das am Ende sichtbare Licht ist zunächst zumindest 2021 betreffend, zwar weniger dramatisch als in 2020, dennoch dürfte es trotz rhetorischer Beruhigungspillen so mancher Politiker ein weiteres Jahr der Bescheidenheiten werden.
Bestimmt werden wir in Europa nach Ostern 2021 eine sukzessive Erleichterung sehen, immerhin werden die Impfstoffe bis dahin schon teilweise verabreicht und in immer größeren Mengen verfügbar sein, und weitere Impfstoffzulassungen sind absehbar. Schließlich waren per Mitte Dezember 2020 bei der WHO 222 CoV-Impfstoffkandidaten aus aller Welt angemeldet, wovon 56 sich bereits in der klinischen Erprobung und 166 in der vorklinischen Entwicklungsphase befanden. Dies dürfte uns im Laufe der Zeit eine Fülle an Alternativen bieten, selbst wenn davon nur ein kleiner Teil die Zulassung schaffen wird. Ebenso wird letztlich das wieder langsam einkehrende, wärmere Wetter im Frühjahr und Sommer zur Entspannung der Lage beisteuern.
Doch eine Herdenimmunität werden wir bis zum Winter 2021/2022 kaum schaffen. Die Lage dürfte bis dahin lediglich weniger kritisch und hoffentlich auch ohne weitere Lockdowns besser beherrschbar sein. Das Virus selbst allerdings ist und bleibt da, und es dürfte weiter mutieren. BioNTech-Chef Ugur Sahin schätzte nach der EU-Zulassung seines Impfstoffs im Interview auf dem TV-Sender n-tv, das Virus werde fitter und resistenter. Ob es schlicht leichter übertragbar ist wie die jüngste, ansteckendere Mutation aus Großbritannien und Südafrika, weshalb für eine Herdenimmunität sogar eine 80%ige Impfquote nötig wäre, oder ob es aggressiver wirkt, weiß heute niemand. Insofern ist es noch völlig offen, ob die derzeitigen Tests und Impfstoffe bei kommenden Mutationen funktionieren oder ob Anpassungen nötig sind.
2018: Neuer Wirkstoff gegen die seit 1980 ausgerotteten Pocken
CoV ist nun jedenfalls wie das Grippe-, Herpes- und HIV-Virus da. Man kann nur hoffen, dass es sich noch in dieser Dekade zu 90 Prozent und irgendwann später gar zu 99 Prozent eindämmen lässt wie etwa die Pocken. Aber selbst dann kann die Pandemie immer wieder irgendwo auf der Welt regional erneut ausbrechen. Weshalb sollte sich das Coronavirus insofern anders verhalten als ältere, inzwischen gut bekannte Viren? Obwohl die Pocken laut Weltgesundheitsorganisation seit 1980 ausgerottet sind, ist seit 2018 in den USA ein neuer Wirkstoffzugelassen. Sogar Jahrzehnte nach dem offiziellen Sieg über die Pocken scheint die Gefahr nicht gebannt.
Dass das Coronavirus in Kürze ganz besiegt sei, erscheint vor diesem Hintergrund wie eine naive Illusion. Eine evolutionsbiologische Immunität des Menschen mag in einigen Generationen denkbar sein. Aber bis dahin wird es immer um die Frage gehen, ob und wie sich das Virus so weit zurückdrängen lässt, dass es nur noch in einem Labor als Asservat existiert wie etwa das Pest-Bakterium.
Um diesen Zustand zu erreichen, genügen Impfstoffe alleine nicht. Sie schützen nicht hundertprozentig – bislang liegt der höchste bekannte Wirkungsgrad bei etwa 95 Prozent –, und sie sind vor allem auch nicht für alle Personengruppen geeignet oder zugelassen, wie beispielsweise für Jugendliche, Schwangere oder bei schweren Allergien.
Deshalb gibt es zwei Forschungsmaschinerien: Medikamente bzw. Heilmittel für Erkrankte – welche jedoch noch nicht verfügbar sind - und eben die andere zum Schutz, die Prävention, also die Impfung.
Das sind alles Maßnahmen, die uns, unserer Gemeinschaft und Gesellschaft, nicht schaden, sondern helfen sollen. Dabei wird alles versucht, um uns diese Mittel schnellstmöglich, sicher und in ausreichender Menge zu vernünftigen Kosten bereitstellen zu können.
Ein Impfstoff verhindert nicht zwangsläufig die Übertragung des Erregers
Insofern wird das Individuum auch in absehbarer Zukunft einen von zwei Wegen wählen, um der Pandemie und potenziellen Infektionen zu begegnen:
Erster Weg: keine Impfung. Viele Menschen werden sich ohne Impfung weiterhin vernünftig, diszipliniert und unter Beachtung aller Hygieneregeln verhalten, um nicht infiziert zu werden. Sie hoffen für den Fall der Fälle auf einen glimpflichen Infektionsverlauf und auf die Wirksamkeit dann zur Verfügung stehender Medikamente.
Zweiter Weg: Impfung. Menschen lassen sich möglichst rasch impfen und nehmen die Impfrisiken in Kauf, weil sie sich selbst und auch andere nicht infizieren oder selbst erkranken wollen. Wobei eine Impfung den Geimpften zwar zu einem bestimmten Prozentsatz schützt, aber nicht zwangsläufig verhindert, das Virus weiterhin zu bekommen und zu übertragen. Die Lage könnte vergleichbar sein mit der Polio-Impfung: Die inaktive Polio-Vakzine (IPV) von 1955 immunisiert, verhindert aber keine Übertragung; die orale Polio-Vakzine (OPV) von 1961 unterbindet neben der Infektion auch die Ansteckung anderer. Immunisierung bedeutet eben nur, dass der Geimpfte nicht erkrankt – Träger eines Virus kann er nach wie vor noch sein. Ob Impfungen die Corona-Pandemie stoppen, ist insofern fraglich (Impfstoff gegen das Coronavirus: Biontech/Pfizer-Vakzin wurde in der EU als auch in der Schweiz zugelassen). Weswegen auch eine Impfung aller Voraussicht nach nicht von der Maskenpflicht befreit!
Die Schwierigkeit bei allem ist die Zeit, die wir nicht haben. Sicher gehen die Forschungen zu Impfstoffen und Medikamenten im Eiltempo weiter, und das Tempo der Zulassungen ist enorm. Was wir allerdings nicht testen können, sind die Langzeitfolgen: Selbst der zugelassene Impfstoff von BioNTech/Pfizer kann noch nicht mit einer klinisch abgeschlossenen Testphase 3 geschweige denn mit Phase 4 aufwarten. Diese Phasen sind geplant für Juli 2021, der Abschluss der Tests für Januar 2023. Dass es bei keinem gar keine Langzeitfolgen gibt, ist bei einem Impfstoff erfahrungsgemäß eher unwahrscheinlich.
Nicht bewusst scheint der breiten Öffentlichkeit jedenfalls zu sein: Die ersten Impfstoffe sollen vorrangig den Ausbruch der Krankheit verhindern oder deren Verlauf lindern. Auch nur darauf beziehen sich Aussagen über die Wirksamkeit, etwa von 95 Prozent. Eine völlig andere Frage ist, ob ein Impfstoff auch die Verbreitung des Virus durch einen Geimpften verhindern kann, die Übertragung.
Dennoch wird jeder Geimpfte schlussendlich die Welt ein kleines Stückchen sicherer und geschützter machen.
Schwerer Verlauf ebenso wenig riskant wie negative Impffolgen?
Die Entscheidung „impfen oder nicht impfen“ überlassen die Regierungen der westlichen Welt den Menschen – Politiker versichern bislang, es werde keine Impfpflicht geben. Nun leben wir – Gott sei Dank – in einer Gesellschaft und Rechtsordnung, wo wir Eingriffe in unseren Körper, unsere Gesundheit frei zulassen oder ablehnen und nicht so einfach gezwungen werden können. Diese Freiheit ist zugleich jedoch auch unsere eigene Verantwortung, für sich und andere. Deswegen wird dieses Thema wohl auch so heiß diskutiert.
Natürlich hat jeder Eingriff, jedes Medikament, jede Operation, ja sogar jede Impfung möglicherweise bei irgend jemandem auch einmal eine Nebenwirkung oder Spätfolgen, weil eine Impfung das Immunsystem stark herausfordert. Dies ist ja auch gewünscht, denn sie soll dem Körper eine eigene Antwort auf den Virus geben. Der Körper bekommt damit mächtig zu tun. Im Vergleich zu Grippe-Impfstoffen gab es häufigere Nebenwirkungen, dennoch waren sie in den Phase-3-Studien bei den zehntausenden Teilnehmer*innen nicht dramatisch. Es gilt im Krankheitsfall wie im Impffall genau dasselbe: je besser das Immunsystem, desto besser ist man aufgestellt, und zwar in der eigenen Abwehr der Erkrankung genauso wie im Umgang mit einem Impfstoff oder Medikament.
Der Mensch als Individuum, in der Regel unzureichend informiert, steht also vor der Wahl: Entweder es lässt sich mit nicht abschließend erforschten Impfstoffen impfen, wobei er auch geimpft noch Überträger sein kann und wobei je nach Immunsystem- und Körperverfassung unerwünschte Reaktionen auftreten können – was den Menschen aber meist nicht bewusst ist. Oder aber das Individuum lässt sich nicht impfen und trägt damit nicht zur Herdenimmunität bei.
Und so ist es für den fitten und gesunden Bürger offenbar gleichbedeutend, ob er sich impfen lässt oder sich ohne Impfung vernünftig verhält. Ohne Vorerkrankungen wie Herzinfarkte, Diabetes oder Lungenerkrankungen ist das Risiko einer Infektion mit schwerem Verlauf wohl ebenso gering wie das Risiko schlimmer Spätfolgen einer Impfung. Wozu also sollte der freie Bürger entscheiden, sich impfen zu lassen? Wäre CoV so gefährlich wie das Denguefieber oder Ebola, würde sich diese Frage nicht stellen. Dass CoV weniger gefährlich ist, ist in gewisser Weise ein Glück und zugleich das Problem bei der Impfbereitschaft. Deshalb leisten wir uns den Luxus, frei zu wählen, ob und wann wir uns impfen lassen oder nicht.
Wer bezüglich seiner Impfentscheidung lieber abwartet, später entscheidet, sollte dennoch vermeiden, einfach nur eine Schwarz-Weiß-Position einzunehmen. Gerade um nicht den Wissenschaftlern die für uns hochengagiert bis zur Erschöpfung daran forschen und arbeiten in den Rücken zu fallen.
Wer sich jedoch impfen lassen will – oder muss – wird sich eventuell auch fragen, welcher der vielen Impfstoffe zu bevorzugen ist. Denn wie es aussieht, dürften wir im Laufe des Jahres 2021 zwischen zumindest fünf und sieben, vielleicht sogar bis zu zehn zugelassenen Optionen die Wahl haben, zu denen laut dem „versehentlichen“ Leak der Belgischen Staatssekretärin Eva De Bleeker gehören (Preis pro Einzeldosis zumindest zwei werden jeweils pro Person benötigt).
Pfizer/BioNTech (€ 12,00)
Moderna ($ 18,00)
AstraZeneca: (€ 1,78)
Curevac: (€ 10,00)
Johnson & Johnson: ($ 8,50)
Sanofi/GlaxoSmithKline: (€ 7,56)
EU-Verhandlungen mit Novavax – nun ebenso in Testphase 3 - laufen noch
An dieser Qual der Wahl zeigt sich, wie verschieden Impfstoffe und Impfstoffarten sein können: Es gibt einerseits Lebend- sowie Totimpfstoffe und andererseits die genbasierten Vektor-, mRNA- oder DNA-Impfstoffe. Während die erstgenannte Kategorie abgeschwächte oder abgetötete Krankheitserreger – Antigene genannt– in den Körper einschleust und schon lange erforscht und angewendet wird, verabreichen die genbasierten, biotechnologischen Impfstoffe anstatt eines fertigen Antigens nur den genetischen Bauplan für ein Antigen in den Körper. So regt beispielsweise das Botenmolekül mRNA (das „m“ steht für messenger und „RNA“ für ribonucleic acid, zu Deutsch: Ribonukleinsäure) - die Bildung eines Virus-Eiweißes an, ähnlich wie es die meisten Erkältungsviren nutzen. Die mRNA wird dabei nicht in das Erbgut des Menschen eingebaut. Dieses Eiweiß löst eine Immunreaktion aus, um den geimpften Menschen vor dem Virus zu schützen. Der Covid-Impfstoffkandidat „Delta 19“ wird übrigens, so der die Zulassung schafft, per Nasenspray verabreicht und soll nicht nur gegen CoV, sondern auch gegen alle Grippearten schützen. Und zwar auch gegen die Übertragung.
Enorme Impfstoff-Vielfalt: Gen- und Nanotechnologie
Ein spannender Aspekt sind die genetischen Impfstoffe. Sie sind erst seit etwa zwanzig Jahren Gegenstand der Forschung. So hat CureVac-Gründer Dr. Ingmar Hoerr im Zuge seiner Doktorarbeit in Tübingen 1999 aus seiner Entdeckung im Labor die mRNA-Technologie erschaffen, auf der nun große Hoffnung liegt. Allerdings sind genbasierte Impfstoffe bislang wenig erprobt und waren noch nie breitenwirksam im Einsatz, nie für den Menschen zugelassen, denn es war noch kaum ein unproblematischer, erfolgreicher Kandidat darunter. Genetisch designte Impfstoffe wirken völlig anders als konventionelle Impfstoffe und erfordern daher neue Forschungsansätze, die naturgemäß ihre Zeit in Anspruch nehmen. Zugleich haben Pharmakonzerne enormes Interesse, diese neuen Biotechnologien rasch durchzusetzen. Sie sehen in der aktuellen Krise ihre große Chance dafür gekommen und betreiben intensives, mediales Lobbying. Ein gutes Argument ist die Zulassung zweier biotechnologischer Vektorimpfstoffe gegen Dengue-Fieber und Ebola, und mit dem Impfstoff von AstraZeneca gegen CoV dürfte auch in der EU eine dritte Zulassung eines Gentechnik-Impfstoffes bald folgen.
mRNA-Impfstoffe arbeiten zudem mit Nanopartikeln, die als Arzneimittelabgabesystem dienen: Per Ultraschall werden Pharmazeutika in Lipid-Nanopartikeln verkapselt. Das ist ein Grund, warum der Impfstoff von Pfizer/BioNTech eine Kühlung von unter -70 Grad Celsius, Moderna noch immerhin -20 benötigt.
Nanopartikel sind, siehe meinen Artikel, ab einer bestimmten Menge ein ernstes Problem. Laut Aussagen von Pharmaherstellern verschwinden diese Nanopartikel nach der Impfung rasch aus dem Körper, was allerdings stark zu bezweifeln ist. Denn Nanopartikel kennen keine Barriere – es ist ja kein Material kleiner als sie und könnte sie aufhalten. So wandern Nanopartikel im Körper herum, und es ist nicht davon auszugehen, dass alle Partikel nur kurz im Körper verbleiben. Ob und wann Nanopartikel den Körper verlassen, weiß man eben nicht, denn dies zu erforschen, ist technologisch heute noch gar nicht möglich.
Allerdings ist die Menge der Nanopartikel, die über die Impfung in den Körper gelangen, verschwindend gering – verglichen zu den Mengen, die wir durch Shampoo, Nahrung, Kleidung und Kunststoffe zu uns nehmen. Da macht das Impfen nicht den gravierenden Unterschied.
Warten auf risikoärmere Impfstoffe
Alles in allem mag es verständlich sein, dass vorsichtige, konservativ denkende Menschen lieber weitere Impfoptionen abwarten oder altbewährte Impfstofftypen vorziehen. Dies selbst dann, wenn ein solcher Impfstoff – laut derzeitigen Testergebnissen – eventuell nicht durchgängig so hochprozentig wirksam ist wie die neuen bzw. moderneren mRNA-Impfstoffe mit ihren bis zu rund 95 Prozent Wirkungsgrad, welche gemäß meiner ausgiebigen Recherche jedenfalls ein insgesamt besseres Wirksystem haben und daher leichter verträglich für Immunschwache und Ältere sind, und genauso gut für Jüngere und Immunstarke hochwertig schützen. Das macht aber relativ wenig aus, weil eine Verbesserung des Schutzes von 0 auf 70 bis 80 Prozent immer noch eine signifikante Verbesserung ist, sogar verglichen mit den rd. 50-60 % der üblichen Grippe-Impfung.
Insofern ist es nachvollziehbar, wenn viele Menschen außerhalb der Risikogruppen lieber abwarten und anderen Menschen, die eine Impfung dringender benötigen, den Vortritt lassen, um zu sehen, wie sich die Erfahrungen damit entwickeln. Im Laufe der Zeit, in den nächsten Monaten und Jahren, ist auch anzunehmen, dass es bessere Kriterien für die Impfungen gibt, beispielsweise für Ältere, für Frauen, Männer, Menschen dieser oder jener Provenienz. Momentan kann niemand sagen, wie viele Komplikationen es unter welchen Umständen geben wird.
Letztlich wird jedoch eine Impfung mit dem einen oder anderen Wirkstoff, für uns alle weltweit das Beste sein, was uns passieren kann. Unentschlossene können also noch in Ruhe abwarten, es gibt ja bald mehrere Alternativen, dann hat man die Wahl. Die Impfstoffe verschwinden ja nicht einfach wieder. Die bleiben genauso da, wie das Virus. Sicher sind die bei uns geprüften und zugelassenen Impfstoffe nach menschlichem Ermessen alle. Unsicher bleiben sie jedoch in gewissem Maße ebenso, weil Menschen Individuen sind. Und was bei 9.999 Geimpften gut geht, kann beim 10.000sten u. U. arge Nebenwirkungen oder Spätfolgen verursachen, was denjenigen nicht tröstet, denn es eventuell trifft. Das ist das Restrisiko, mit dem wir alle zu leben haben, das Leben ist eben auch zu einem Teil lebensgefährlich.
Der „Immunitätsnachweis“ ist Augenwischerei
Diese Unsicherheit bewirkt Verunsicherung. Angesichts der vielen Unwägbarkeiten versuchen Menschen, selbst Antworten auf die Fragen zu finden, die sie beschäftigen. So ist immer öfter die Sorge zu hören, dass der Impfstatus das entscheidende Kriterium dafür sei, wie frei wir uns künftig bewegen können. Auf Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen tragen Impfgegner immer wieder nachgebildete „Judensterne“ mit der Aufschrift „Ungeimpft“ – sie behaupten damit für sich die gleiche Qualität von Stigmatisierung, wie sie ab 1941 im „Dritten Reich“ die Juden betroffen hat. Sehen wir über diese fragwürdige Zuspitzung hinweg, die als Verharmlosung des Holocaust gilt, ist eine Stigmatisierung oder Benachteiligung nicht Geimpfter in der westlichen Welt eher unwahrscheinlich. Auch wenn Impfungen künftig vereinzelt vorgeschrieben sind, wie es beispielsweise die Airlines Qantas für Reisen nach Australien sowie und Korean Air für Südkorea ankündigten.
Eher wird es vielmehr künftig zwei Optionen geben, wie sie auch der Airlineverband IATA mit einem digitalen Reisepass vorschlägt: Entweder weist jemand eine Impfung nach oder hat ein aktuelles negatives Testergebnis. Diese Informationen sollen neben den üblichen Daten in einem digitalen Pass gespeichert und auf dem Flughafen vorzeigbar sein. Wobei allerdings wiederum klar sein sollte, dass kein Impfstoff zu 100 Prozent wirksam ist. Zudem schützt eine Impfung je nach Impfstofftyp – wie erwähnt – nicht automatisch vor Übertragung.
Obwohl ein angeblicher „Immunitätsnachweis“ nur scheinbar Sicherheit gibt und letztlich Augenwischerei ist, wird sicher noch sehr lange die Idee verfolgt, ein Impfausweis würde bedeuten, dass jemand nicht ansteckend ist. Das Gleiche betrifft den Test, wenngleich ein negatives Testergebnis, bei fehlender Impfung, bald zum guten Ton selbst für Einladungen zuhause gehören dürfte – obwohl auch ein Test nicht hundertprozentig sicher ist. Die Entwicklung von einfachen und schnellen Selbsttests läuft ebenso unter Hochdruck.
Wenn eine Impfpflicht kommt, kommt sie im Westen nicht explizit, sondern implizit. Die Impfung ist dann zwar keine Pflicht, aber de facto ist die Bewegungsfreiheit ohne Impfung massiv eingeschränkt. Eine solche Situation ist theoretisch für spezifische Gruppen denkbar, in denen viele Leute aufeinandersitzen – wie etwa in Pflegeheimen, Krankenhäusern oder Gefängnissen. Doch auch das kommt wegen der zu schaffenden rechtlichen Rahmenbedingungen eher nicht vor 2023, zumal eine implizite Impfpflicht in der westlichen Welt auf einige rechtliche Hürden stoßen dürfte. Ausgeschlossene werden wegen Diskriminierung klagen, und die Gerichte werden anhand der Grundrechte entscheiden, inwieweit die Benachteiligung Ungeimpfter rechtens wäre.
Eine andere Situation haben wir in autoritär geführten Ländern: Dort erkennen Regierungen möglicherweise, wie leicht sich Menschenrechte aushebeln lassen. Eine Pandemie, ein Bedrohungsszenario – und schon geht alles. Dann kann eine Regierung sämtliche Gesetze auf den Kopf stellen, Parlamente mundtot machen und juristische Prozesse lahmlegen. Und wer sich dagegen auflehnt, wird als verrückt gebrandmarkt, als Bedrohung. So eine Entwicklung droht gerade in führungslabilen Ländern, sie kann aber auch in etablierten Demokratien zur Versuchung werden. Wir müssen als Gesellschaft aufpassen, dass Rechtsstaat und Demokratie intakt bleiben, zumal Gerichte schon im Jahr 2020 zahlreiche Freiheitseinschränkungen seitens der Regierungen beispielsweise in Deutschland und Österreich wieder kassiert haben.
Manche westlichen Politiker scheinen China zu beneiden, weil sich dort Entscheidungen ganz einfach über das Volk hinweg treffen lassen. Sie sehen: Wenn China über menschenverachtende und brutale Maßnahmen die Pandemie besser in den Griff bekommt, hat China einen Vorteil. Vor allem einen wirtschaftlichen Vorteil, und auch einen Vorteil in der öffentlichen Meinung. Der Erfolg könnte den autoritären Regimen Recht geben, wenn jeder sagt: Wir sollten es so machen wie die Chinesen, das ist effektiv! Sehr schnell könnten die Argumente der Demokratien in den Hintergrund geraten – Menschenwürde, Menschenrechte, Wertegemeinschaft –, weil die Wirtschaft sich für derlei ethisch hohe Standards unter großem Druck kaum noch interessiert.
Dabei ist sogar unser Grundgesetz hart erkämpft und nicht selbstverständlich, es fiel nicht einfach so vom Himmel. Dass die Würde des Menschen unantastbar ist, ist eine hohe Kultur-, Erkenntnis- und Intelligenzleistung. Dies muss gelebt, erhalten und an jede Generation neu weitergegeben werden.
Auch deshalb versuchen westliche Regierungen, ihr Bestes zu geben. Deswegen geben sie sich zunehmend besorgt und appellieren an Vernunft und Eigenverantwortung. Westliche Politiker merken genau, dass das Appellieren, das Bitten und Betteln, das ständige Von-Neuem-Erklären weit weniger gut funktioniert als das Agieren mit Schlagstock, Einmauern und Handschellen in anderen Ländern der Welt. Genau deswegen feiern Jugendgruppen in Berlin-Neukölln Silvester mit verbotenem Alkohol und verbotenen Böllern, und Polizeiwagen fahren einfach nur vorbei (Rundfunk Berlin-Brandenburg, Abendschau 1.1.2021), und genau deswegen können in der Bretagne 2500 Menschen über den Jahreswechsel 2020/2021 anderthalb Tage lang eine illegale Technoparty feiern.
Und darin besteht die Gefahr: Wenn die öffentliche Meinung irgendwann verlangt, wegen der vielen Unbelehrbaren rechtsstaatliche Prinzipien einzuschränken und sich autoritäre Staaten wie China zum Vorbild zu nehmen, dann bekommen wir eine weniger demokratische Gesellschaft – und darin würde sich mit der Zeit eine Oligarchie ausbilden, in der wir uns Freiheitsrechte kaufen. Freiheiten sind dann nicht mehr ein Menschenrecht, sondern etwas, was man sich leisten kann oder nicht. Das wäre das Schlimmste, was passieren könnte.
Hingegen wäre das Beste, was passieren könnte: Die demokratisch geführten Länder, ihre Regierungen und Bürger behalten die Nerven und eine Restvernunft in ihrem Verhalten. Dadurch tragen alle dazu bei, dass eine kontrollierte Eindämmung von CoV schon 2021 zügig beginnt, der Winter 2021/2022 deutlich besser verläuft und es nur noch punktuelle Virus-Ausbrüche gibt. Das wäre ein stärkendes Signal für die Demokratien, die damit beweisen, dass sich das Sinnvolle auch ohne „harte Hand“ erreichen lässt. So ließen sich Freiheit und Sicherheit zugleich retten.
Sich der neuen Situation anpassen, statt Ungeimpfte auszuschließen
Einstweilen aber gibt es zwischen diesen beiden Perspektiven noch keine klare Entscheidung, und zu viele Menschen verhalten sich unvernünftig. Darum haben wir die Debatten um Impfnachweise und Ähnliches. Stellen wir uns eine Airline vor, eventuell sogar in der CoV-Krise staatlich unterstützt, die Ungeimpfte ausschließt: Die Reaktion der Öffentlichkeit könnte, neben Diskriminierungsklagen, ein Shitstorm samt anhaltendem Bashing gegen diese Airline sein, und in der Folge könnte eine ohnehin angeschlagene Airline zurückrudern. Denn gerade Airlines werden froh um jeden einzelnen Passagier sein. Bei Hotels, Restaurants und Veranstaltungen dürfte es nicht anders aussehen.
Vor diesem Hintergrund werden sich Unternehmen andere Möglichkeiten überlegen und durch technische Lösungen mehr Sicherheit und damit Vertrauen schaffen, wie etwa mittels UV-Strahlung, speziellen Luftfiltern und anderes verbessern, was gegenüber Anbietern, die sich nicht anpassen, ein deutlicher Wettbewerbsvorteil sein dürfte.
Das Virus ist da, es bleibt da, Impfstoffe wirken nicht 100%ig, sie machen nicht automatisch immun. Das ist die Situation, und Menschen und Unternehmen sollten sich anpassen. Einen Grund, in Panik und Misstrauen zu verfallen oder die Sache aufzuheizen und negativ aufzuladen, gibt es nüchtern betrachtet nicht. Mit dieser Krise werden die am besten umgehen, die sich mit kühlem Kopf und gut überlegt darauf einrichten. Dazu gehört vernünftiges und die eigene Existenz schützendes Verhalten sowie betreffend das Risiko der Gefährdung auch an die anderen zu denken, Vorsicht walten zu lassen und stets aufs Neue zu überlegen, mit wem man sich warum trifft, ob der Nutzen das Risiko wert ist. Dazu gehört es, die Zahl der direkten Kontakte überschaubar zu halten und zu schauen, welche Treffen – ob privat oder geschäftlich – sich auf Zoom & Co. verlagern lassen.
Hinzu kommt noch ein wichtiger Aspekt, das eigene Immunsystem: Panik, Stress, Dauersorge, Mangel an Bewegung, Fitness, gesunder Ernährung, Licht, Luft, Natur sowie Freude an eigener Bestimmtheit im Leben wird das Immunsystem schwächen. Dies, weil es unsere souveräne, eigenbestimmte Persönlichkeit schwächt. Daher sollten wir alles tun, was unser Immunsystem stärkt, dann können wir auch die Impfung sehr gut vertragen.
Ein weiterer Grund, Ruhe zu bewahren, cool zu bleiben: Es wird sowieso turbulent. Unvermeidbar. Schon die Entwicklung und ausreichende Produktion und Verteilung der Impfstoffe und Medikamente wird nicht so einfach, wie sich das viele Menschen derzeit vorstellen. Es wird organisatorisch und politisch durchaus noch chaotisch werden, auch wenn ein Teil der Bevölkerung den einen oder anderen Impfstoff annimmt. Manche Gruppen wollen sich unter keinen Umständen impfen lassen, andere möchten unbedingt zu den Ersten gehören. So werden viele Junge, die ihre vielen Kontakte uneingeschränkt pflegen und Party machen wollen, vor den Alten geimpft werden wollen, andere werden sich aus egoistischen Gründen vorzudrängen versuchen, auch die Entstehung eines Impftourismus ist nicht auszuschließen. Dann hat die Wirtschaft ihre Interessen, sie will weiterhin verdienen, darunter auch die Hersteller von Masken und die Labore. Um das Milliarden-Jahrhundertgeschäft der Pharmafirmen rund um die Impfstoffentwicklung mag es noch heftige Kämpfe geben. Auch darauf sollten wir uns einstellen.
Durch Globalisierung und Mobilität wird Impfen Dauerzustand
Auch wegen unserer hohen Mobilität wird die CoV-Pandemie noch lange andauern, selbst wenn jetzt viele im Homeoffice arbeiten. Es geht ja nicht nur um uns, sondern das Virus grassiert weltweit. Es reicht nicht, alle Menschen im eigenen Land oder in der gesamten EU zu impfen. In unserer globalisierten Welt müssten wir die Mobilität komplett unterbinden, und das wird nicht möglich sein. Wir müssten Orte, Regionen und letztlich den Kontinent hermetisch abriegeln und jeglichen Austausch unterbinden, wie das in China per Anweisung von oben geschieht, wenn irgendwo die Infektionszahlen steigen. In diesem abgeriegelten Zustand müssten wir erst einmal abwarten, wie lange die Wirkung der Impfungen tatsächlich anhält. Heute ist das nämlich noch überhaupt nicht klar.
Und auch ohne Abriegelung werden die Impfzentren noch lange oder gar dauerhaft bestehen. Hausärzte werden – sozusagen im Nebenjob – ständig weiter impfen, weil immer wieder irgendwelche Leute neu nachgeimpft werden müssen, ob nun der Schutz zu kurzfristig ist, oder ob das CoV so mutiert, dass die Impfstoffe verändert werden müssten, um wieder zu wirken. Insofern lässt sich relativ sicher sagen, dass das Impfen zur Dauereinrichtung wird.
Die Frage der Langzeitwirkung ist eben noch nicht beantwortet. Im besten Falle würde eine Impfung ebenso zehn Jahre lang wirken wie bei der Tetanus-Impfung, die übrigens vier Mal verabreicht wird. Eine Wirkung von zehn Jahren bei einer zweimaligen Verabreichung eines Covid-19-Impfstoffes wäre großartig. Wenn das so wäre, wäre die Situation relativ entspannt. Aber wenn der Impfstoff nur ein halbes, ein Dreivierteljahr oder ein Jahr hält, oder auch zwei oder drei Jahre, dann wird das Impfen zum organisatorischen und finanziellen Problem.
Und was ebenfalls nur wenigen klar ist: Wer sich heute mit einem CoV-Impfstoff der ersten Generation infizieren lässt, der zwar vor Erkrankung schützt, nicht aber die Übertragung verhindert, könnte in wenigen Monaten oder Jahren vor der Situation stehen, sich mit einem völlig anderen Impfstoff der zweiten Generation, an dem die Forschung auch intensiv arbeitet, erneut impfen zu lassen, der dann erst auch die Übertragung hemmt.
Hinzu kommt das Problem der Verfügbarkeit. So meinen die Forscher an der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health in den USA, dass jeder vierte Mensch sowieso erst frühestens im Jahr 2022 gegen Covid-19 geimpft werden kann. Der Grund dafür sei, dass die reichen Länder mit weniger als 15 Prozent der Weltbevölkerung rund 50 Prozent der verfügbaren Impfdosen für sich beanspruchen. Den Rest müssen die Staaten mit niedrigem und mittlerem Einkommen unter sich aufteilen, trotz deren Weltbevölkerungsanteil von 85 Prozent.
Der Punkt jedenfalls, an dem die Welt aufatmet, weil das Virus in den vergangenen drei Monaten nur noch fünf Mal in irgendeinem Urwald festgestellt worden ist – das braucht Jahre. Das Thema wird 2021 nicht abgeschlossen sein, und auch 2025 ist ein ambitionierter Horizont. Ohne eine geniale, internationale Zusammenarbeit ist das kaum früher denkbar. Realistischer ist es eher, dass uns Covid-19 noch mindestens das gesamte Jahrzehnt herausfordert. Darüber sollten wir uns im Klaren sein, und wir sollten uns darauf einstellen.
Die Zombifizierung der Wirtschaft
Ein weiteres Damoklesschwert im Schlepptau der CoV-Pandemie, das uns noch viele Jahre und Jahrzehnte beschäftigen, belasten und einschränken wird, ist die dramatische Aufblähung der öffentlichen Verschuldung. Denn die Unsummen gedruckten Vermögens, die aufgrund der Covid-19-Pandemie nun um den Globus bewegt werden, waren noch nie in der Geschichte der Menschheit größer als jetzt.
Allerdings hat die Politik wenig Spielraum, man kann die Wirtschaft unter der Pandemie nicht kollabieren lassen. Klar gibt es dabei auch sinnlos rausgeworfenes Geld, denn diese schnellen Maßnahmen gleichen eher Schrottschüssen als Plattschüssen.
Man halte sich nur einmal die Entwicklung der ausufernden Geldmenge alleine der EU-Zentralbank im Euro-Raum vor Augen – andere Währungsräume wie die USA mit ihrem Dollar sehen da noch schlechter aus. Und eines sagt der Hausverstand: wenn es von etwas immer mehr gibt, sinkt dessen Wert und nicht umgekehrt.
Im Euro-Raum entwickelte sich die Geldmenge wie folgt:
Zeitpunkt
Billionen €
Als Betrag €
Anfang 1999 (virtuelle Euro-Einführung)
0,5
500.000.000.000
Juli 2008 (die Finanzkrise durch die Lehmann Pleite begann im September 2008)
0,9
890.000.000.000
Juli 2012
1,8
1.770.000.000.000
Ende 2019, also vor CoV
3,2
3.200.000.000.000
November 2020
4,6
4.600.000.000.000
Juni 2021 (Prognose)
6,0
6.000.000.000.000
Ende 2021 (Prognose)
7,0
7.000.000.000.000
Also eine erschreckende Ver-14-fachung der Geldmenge seit Einführung des Euro! Wobei dies wohl kaum das Ende der Fahnenstange sein wird.
Dies hat, neben den CoV-Zuschüssen und -Rettungsprogrammen, natürlich unmittelbar auch mit der galoppierenden Staatsverschuldung einiger EU-Länder zu tun, die die Maastricht-Grenze von 60 Prozent deutlich übersteigt.
Übersicht Schuldenquote aus BMF Monatsbricht November 2020:
Land
2019
2021 (Prognose)
Deutschland
59 %
80 %
Frankreich
98 %
118 %
Spanien
95 %
122 %
Italien
134 %
159 %
Griechenland (trotz Schuldenschnitt)
181 %
201 %
Wie diese Staaten ihre zum Teil extrem über 100 Prozent liegende Schuldenquote jemals tilgen sollen, bleibt ein Rätsel. Nüchtern betrachtet wird eine gänzliche Tilgung ziemlich unwahrscheinlich. Dabei bedenke man, dass zudem die Zinsen schon seit Jahren künstlich niedrig gehalten werden, sonst sehe es noch schlimmer aus. Es zeigt sich einmal mehr, es war ein kardinaler Geburtsfehler des Euro, nicht zumindest 3-Euro-Zonen mit unterschiedlichen Bewertungsmöglichkeiten zu schaffen.
Angefeuert gerade durch die jahrelange Niedrigzinspolitik erleben wir eine De-facto-Inflation, auch wenn diese außerhalb des statistischen Konsumgüter-Preisindexes abläuft, nämlich z. B. in der Entwicklung der Immobilienpreise.
Dies zeigt z. B. diese Übersicht zur Entwicklung der Immobilienpreise in ausgewählten Euro-Ländern seit der Lehmann-Pleite im September 2008:
Land
Steigerung
Frankreich
13 %
Portugal
53 %
Österreich
96 %
Deutschland auf dem Land
71 %
Deutschland in Städten
94 %
Deutschland in Großstädten
121 %
Quelle für alle obigen Tabellen, Prof. Dr. Hans-Werner Sinn vom ifo-Institut
Mitsamt den Auswirkungen der CoV-Pandemie kann das zu einer Zombifizierung der Wirtschaft führen – zu einem Zustand, in dem Unternehmen nur noch durch billige Kredite am Leben gehalten werden. Dies führt, wie der österreichisch-amerikanische Nationalökonom Joseph Schumpeter (1883-1950) schon in seinen makroökonomischen Schriften (Schöpferische Zerstörung bzw. engl. creative destruction) aufzeigte, zur Beeinträchtigung der Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit in der Wirtschaft. Des weiteren könnten es zu einer erheblichen Inflation oder einer Stagflation, zu Steuererhöhungen und einhergehenden Staatsausgabenkürzungen führen.
Oder es wird irgendwann, in einer der nächsten Dekaden, einen runden Tisch und einen Schuldenschnitt insgesamt geben, denn dieses hohe, kaum mehr abzubauende Schuldenniveau in dieser globalen Verbreitung ergibt letztlich irgendwann keinen Sinn mehr, und man streicht, wie schon so oft in der Geschichte mit Staatsbankrotten geschehen, sich gegenseitig einen Großteil der Schulden und so manche Null bei den Währungen.
Diesen Mühlstein dieser enormen Verschuldung um unseren Hals sollten wir, die Post-CoV-Normalität betreffend, mit bedenken. Wenngleich CoV zum Glück kein Know-how vernichtet, noch Betriebsstätten zerbombt, auch die Infrastruktur nicht kaputt macht.
Ruhe bewahren und entschleunigen
Insofern ist das Beste, was wir jetzt in der CoV-Pandemie tun können:
Ruhe, Geduld und Besonnenheit bewahren, sich an die Schutz- und Hygieneregeln zu halten und keinesfalls zum Wutbürger zu werden. Wir sollten uns durch nichts in Panik versetzen lassen, wir sollten ungestresst bleiben, uns zumindest den stillen Humor bewahren und die Souveränität nicht verlieren.
Das hält uns gesund und ist ungefähr so wichtig, wie die Impfung. Dies ist sozusagen eine mentale Impfung, die wir uns selbst verpassen können. Es ist sinnvoller, überlegt zu handeln als überstürzt. Wirklichen Zeitdruck gibt es in vielen Belangen nicht, denn vielfach sind uns derzeit noch die Hände gebunden, wir haben es mit einer langfristigen Perspektive zu tun. Diese Einstellung durchzuhalten ist sehr wichtig, denn all jene, denen es nicht gelingt, die Ruhe und Geduld zu bewahren, werden es ziemlich schwierig haben. Sie werden entweder mit der Sinnlosigkeit zu kämpfen haben, weil sie keine Antwort auf die Warum-Frage finden, oder andererseits in den Frust, in die Verzweiflung, in das Dauerjammern, in eine chronische Übellaunigkeit oder Sorge hinabgedrückt werden, und riskieren damit eine Depression. Dann können sie dem Druck nicht mehr Stand halten, lassen sich plattdrücken wie die Wanzen, dann wird es kritisch.
Entschleunigen. Die globale Bremse durch CoV hat auch ihre guten Seiten. Wir sollten uns auf unsere Kernbedürfnisse besinnen und nicht mehr alles tun, was wir wollen, sondern vor allem das, was wir brauchen, was Sinn macht. So mancher Verzicht kann auch zu mehr Erfüllung führen.
Sicher: Der zweite Punkt mag auf Menschen fast zynisch wirken, die durch Covid-19 in Existenznot geraten sind. Letztlich ist damit gemeint, aus der Not eine Tugend zu machen. Sicher ist es zuallererst eine Not, wenn wir Kontakte und wirtschaftliche Aktivitäten zurückfahren müssen. Und darunter leiden wirtschaftlich auch unzählige Unternehmen und damit Menschen. Aber wir können die Lage nicht im Handumdrehen ändern. Auch wer wirtschaftlich von der Krise hart getroffen ist, hat nur eine Wahl: sich neu zu orientieren. Viele früher erfolgreiche Geschäftsmodelle wie etwa in der Reisebranche aber auch im Handel kommen möglicherweise so nicht zurück. Und selbst wenn, ist es jetzt an der Zeit, Zwischenlösungen zu finden.
Auch bedeutet die Besinnung aufs Nötige praktisch einen bestmöglichen Ausgabestopp und infolge ausfallende Einnahmen für Anbieter der Produkte und Dienstleistungen, die wir uns bisher aus hohem Komfort oder reiner Lust gegönnt haben. Der Appell, dass wir minimieren, ist gleichwohl richtig. Er wird unsere Wirtschaft ein wenig erden. Es geht auch mit weniger Konsum, weniger Reisen, weniger Party, weniger Networking und weniger Jetset. Auch reicht es für die meisten von uns, etwas weniger zu haben, es braucht in diesen Zeiten nicht mehr so viel Make-up, Mobilität und laufend neue Kollektionen von Markenkleidung, es braucht nicht alle paar Jahre ein neues Auto, jährlich ein neues Smartphone. Weniger tut’s auch.
Und ja, sicher: Klassische Wirtschaftsvertreter schlagen auch hier die Hände über dem Kopf zusammen. Wir sollen keine Autos kaufen? Der Sinn der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung etwa in Deutschland von 19 auf 16 Prozent von Juli bis Dezember 2020 war es doch gerade, den Konsum zu stärken! Doch dies hat laut einer ifo-Studie von Anfang 2021 nicht funktioniert. Denn die Menschen besinnen sich in der Krise auch intuitiv eher aufs Nötige und Sinnvolle als auf Komfort und Luxus. Selbst der weithin bekannte TV-Moderator Frank Elstner überraschte, als er am Jahresende 2020 klärte, dass nach seinem Überdenken aufgrund der Coronakrise 80 Prozent seiner Reisen unnötig seien, und der Vorteil sei dabei sogar gewonnene Zeit.
So wird es sehr vielen ergehen. Und es ist tatsächlich so, wenn wir ehrlich sind: Mit gesundem Menschenverstand argumentiert, braucht niemand ein neues Auto, dessen altes Auto noch zuverlässig fährt. Zumal ein altes Auto, das bereits produziert und in Betrieb ist, einen besseren ökologischen Fußabdruck hat als ein Neuwagen und momentan sowieso unklar ist, mit welcher Antriebstechnologie man hinsichtlich Lebensdauer und Investition längerfristig am besten fährt.
Fuß vom Gas
Nehmen wir also ein wenig den Fuß vom Gas. Die Entwicklung der Menschheit verlief technologisch und wirtschaftlich in den vergangenen 150-200 Jahren im Grunde viel zu schnell – zu exponentiell für eine organisch-dynamische, evolutionäre, menschengemäße Entfaltung. Deshalb kam dabei vieles unter die Räder. Nicht nur das Klima und die Natur schlagen nun deshalb zurück.
Die Natur liebt dieses Virus! Alleine in Deutschland seien 2020 im Vergleich zu 1990, also von vor 30 Jahren, die CO2-Emissionen um etwa 35 Prozent gesunken, ist in der Jahresauswertung der Denkfabrik Agora Energiewende zu lesen. Die Pandemie hatte ihren wesentlichen Anteil daran. So gut wie heute ging es der Natur schon lange nicht mehr, sie erholt sich etwas, weil es nicht mehr allzu toll an allen Orten völlig überflüssiger und unnötiger Weise so menschelt. Warum also nicht die Gelegenheit zum Downsizing nutzen? Das hat etwas mit Aufatmen zu tun, mit Loslassen, mit einer neuen Freiheit und Lebensqualität, die nicht zu unterschätzen ist! Es geht nicht um ein Zurück in die Vergangenheit, sondern um eine Neuorientierung raus aus dem Hamsterrad einer völlig überzogenen Konsumgesellschaft. Gott bewahre, wenn die gesamte Weltbevölkerung, also auch die Menschen in Entwicklungsländern und aufsteigenden Staaten zum gleichen Konsum in der Lage wären wie wir in den westlichen Ländern! Nein, der Weg muss und wird uns in eine etwas solidere Bescheidenheitsgesellschaft führen. Es geht um die Freiheit zu sagen, dass wir so vieles nicht brauchen, und dass es uns trotzdem gut geht. Das wird die Tendenz sein. Auch die Wirtschaft dürfte sich über die Zeit nach diesen Maßstäben neu orientieren.
Übrigens hat das Virus sogar bei der US-Wahl friedensstiftend gewirkt: Es hat die Kampfkraft Donald Trumps trotz seiner Fake-News und „alternativen Fakten“ deutlich verringert. Trump, der zuerst wie ein Coronaleugner regiert hat, musste die Richtung ändern, nachdem auch in seinem Umfeld Menschen krank wurden oder Betroffene in der Familie hatten. Die steigende Verunsicherung brachte Trump zum Einlenken, und seine verspätete Einsicht kostete ihn anzunehmender Weise den Wahlsieg.
Geht es um Existenz oder Lebensqualität?
Nun kann man sagen: Gut, dann reißen wir uns eine Zeitlang zusammen, machen es dem Virus möglichst schwer, und wenn alles bei optimistischer Annahme etwa um 2025 ausgestanden ist, kommen wir wieder zur alten Ordnung zurück. Selbst dies wäre atemberaubend schnell im Vergleich zu früheren Pandemien die Jahrzehnte andauerten. Natürlich ist es möglich, dass ein Teil der Bevölkerung und Wirtschaft sobald man das Ende des Tunnels in greifbarer Nähe sieht, sagt, jetzt alles wieder zurück, marsch, marsch, weiter geht’s wie früher. Und jene, die dabei eine wiedergewonnene Freiheit sehen sogar versuchen, alles nachzuholen, sprich nicht wieder 1-2 Kreuzfahrten im Jahr, sondern gleich 3-5i buchen. Jedoch würde selbst dies nach einiger Zeit wieder abebben und auf ein Niveau unter dem alten Normal von vor CoV zurückkommen.
Aber in der Zwischenzeit wird die Spaltung in der Bevölkerung wachsen, die Spannung zwischen den Jungen und den Alten zum einen und die immer drängendere Klimaproblematik zum anderen. Denn auf lange Sicht müssen die Jungen letztlich den Großteil der immensen CoV-bedingten Staatsausgaben sowie die Schuldenlast für die vergangenen Ausuferungen einer in so manchem Land frevelhaften Finanz- und Umweltpolitik sowie einer oft rücksichtlosen Industrie- und Konsumgesellschaft tragen. Ob gerade sie oder alternativ die Rentner es sich so einfach gefallen lassen, den Gürtel dafür deutlich enger zu schnallen, ist fraglich, dies dürfte kein einfacher Verteilungskampf werden.
Deshalb werden wir einen Wandel erleben: Viele werden sich aufs Wesentliche besinnen und akzeptieren, dass es auch ohne Wochenend-Saufparty per Flieger nach Mallorca mit übertriebenem CO2-Fußabdruck zum Schnäppchenpreis geht. Stattdessen tut es jetzt auch der Workout in der freien Natur oder eine schöne Wanderung. In absehbarer Zukunft werden viele Menschen die hochtourige Vor-Corona-Normalität nicht mehr haben wollen. Schätzungsweise wird der Anteil der primär konsum- und spaßorientierten Mitbürger nach und nach von etwa 90 in Richtung 50 Prozent sinken, und der Anteil der bewusster lebenden Menschen wird entsprechend steigen. Das wird auch in der Politik seinen richtungsweisenden Niederschlag finden.
Es werden generell, neben der Frage der Leistbarkeit, zwei Kriterien vermehrt für den Konsum und das Verhalten für die Menschen zählen: Ist das, was wir wollen, existenziell erforderlich, oder steigert es die Lebensqualität?
Und da die Zahl der nachhaltig bewusst lebenden Menschen steigt, wird es für existenzielle und die Lebensqualität steigernde Anliegen und Wünsche Rückenwind geben, für Unwichtiges und umweltschädlichen Komfort und Luxus weit weniger oder sogar Gegenwind. So entsteht eine Art Begründungspflicht. Nebst der inneren vielleicht durchaus auch eine äußere, wie die seit 2019 hochkochenden Debatten über die gesellschaftliche Berechtigung von SUVs zeigt. Die wachsende Menge der „geerdeten Konsumenten“, die vermutlich eben auch so viel Gewicht und Anteil bekommen werden wie die „zügellosen Konsumenten“, werden mit Argusaugen die anderen beobachten, haben aber die Argumente zunehmend auf ihrer Seite.
Man wird sich daran gewöhnen, verschiedene Maßnahmen einzuhalten und es wird ein bisschen weniger von allem. Ein bisschen weniger Saus und Braus, ein bisschen weniger verreisen, ein bisschen weniger Luxus, ein bisschen weniger an großen Auftritten, Festen und Veranstaltungen. Es wird alles ein bisschen handverlesener, exklusiver.
Die künftige Normalität (Post-Covid) dürfte also eher insgesamt kleinere Brötchen backen, eine der kleineren Abmessungen sein.
Genügsamkeit und Besinnung aufs Wesentliche
Eine Lehre aus der Pandemie für jene, die versucht haben, Gott zu spielen, dürfte sein, zu erkennen, dass sie an ihre Grenzen kommen.
Die uns durch das Coronavirus verordnete Kontaktdiät wird ihre Spuren hinterlassen. Diäten haben im Allgemeinen das Problem, dass, falls keine nachhaltige Ernährungsumstellung folgt, meist der Jo-Jo-Effekt zuschlägt. Ähnlich ist es mit CoV, denn hier geht es – der positiven Seite etwas abgewinnend - nicht um eine Lebensführungsdiät, sondern um eine Lebensführungsveränderung. Jede Woche, jeder Monat mehr in dem wir uns vor der Furcht vor dem Virus einschränken, gar im Lockdown befinden, schafft mehr Gewohnheit. Und mehr Gewohnheit schafft mehr Nachhaltigkeit.
Die neue Genügsamkeit und Besinnung aufs Wesentliche wird auch die Wirtschaft ergreifen. Unternehmen werden ihre Ansprüche zurückschrauben und etwas bescheidener werden – es wird vielleicht ein wenig wie nach dem Zweiten Weltkrieg sein. Man wird mit weniger zufrieden sein: Riesengewinne sind nicht mehr so leicht zu machen und zu vertreten; es sind dann die kleineren Gewinne, die für Erfüllung sorgen, die kleineren Schritte, die kleineren Gruppen, die etwas zurückgeschraubten Ansprüche.
Weil das Virus außerdem trotz Impfstoff nicht einfach bald verschwindet, wird es wirtschaftlich weiterhin ein Auf und Ab geben, und das nicht nur in so schwer gebeutelten Sektoren wie der Reise- und Tourismusbranche. In allen Branchen wird sich eine Menge ändern, und das ist – kurioserweise – zugleich der beste Klimaschutz, den wir leisten können. Denn die Umwelt zu schonen, heißt auch Ressourcen zu schonen – und umgekehrt. Die Umwelt schonen zu wollen, aber gleichzeitig auf Wachstum zu setzen, das schließt sich schlicht und einfach aus, das funktioniert nicht. Nur auf technologische und wissenschaftliche Fortschritte sowie noch ein paar Regulierungen zu hoffen oder die Augen davor zu verschließen, reicht nicht, um die notwendige Balance wieder herzustellen. An sich wissen das auch alle, aber viele wollen es nicht wahrhaben. Machen wir weiter wie bisher, wird der Preis nur noch höher, den nächsten Generationen zu bezahlen haben und die gesellschaftliche Spaltung beschleunigen.
Die dazu nötige Haltungsänderung erfordert im Grunde nicht einmal Überzeugungsarbeit, sondern ist logisch. Die Realität infolge von Covid-19 zwingt uns ohnehin dazu. Im Nebeneffekt erfahren auch andere Werte wieder mehr Bedeutung: der Wert der Familie, von Freundschaften, von stabilen Beziehungen. Es wird eine Abkehr geben von Volatilität, Flexibilität und Mobilität hin zu mehr Achtsamkeit, Qualität und Substanz sowie zu einem nachhaltigeren Einsatz von Ressourcen.
Ein ethisch formuliertes Fazit für die Überlegungen zur Post-CoV-Normalität könnte sein: Niedrige Beweggründe fordern künftig einen hohen Preis, hohe Beweggründe fordern einen geringen Preis. Es ist für uns alle, für die Natur und die Erde, für jeden einzelnen Menschen in jedem Alter langfristig sinnvoller und besser, nach hohen Beweggründen zu handeln als nach niedrigen.
Jede Medaille hat eben zwei Seiten. So hat die Pandemie neben ihren vielen tragischen Todesopfern und verheerenden wirtschaftlichen Auswirkungen zumindest den positiven Effekt, uns durch die abrupte Abbremsung auf den Boden zu holen, vieles zu erkennen und neu zu denken. Deshalb werden wir künftig als Nährboden für robusten Erfolg vielfach ein neues Wertesystem, einen anderen Innovationslevel und anstatt der betriebswirtschaftlichen Maxime der Gewinnmaximierung ein anderes Verständnis des Mottos „durch Minimum zum Maximum“ etablieren. Nur so wird der Wandel hin zu für den Post-Covid-Zeitgeist, das 21. Jahrhundert stimmigeren, sozusagen „glücksbringenden“ Geschäfts- und Führungsmodellen gelingen. Ein spannendes Thema mit immensem Potenzial.
P. S. Ich freue mich, wenn Sie meine Artikel teilen, Sie können sie auch gerne kostenlos abdrucken oder im Netz veröffentlichen, mit dem Hinweis auf den Autor und den Link auf diese Website: www.RMK.org
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Die Impfung ist ein Segen! Trotzdem wird vieles anders.
Warum unsere Normalität auch mit Covid-Impfstoff eine andere sein wird –
und warum das am Ende sogar gut sein kann.
Ein Ausblick, eine Analyse von Reinhold M. Karner
Das Zauberwort heißt nun Impfung. Bis wir allerdings durch Impfungen eine rettende Herdenimmunität gegen Covid-19 (CoV) haben, wird es noch länger dauern. Trotzdem sollten wir uns für die Zukunft weltweit auf ein anderes Leben einstellen als vor der Pandemie. Dazu heißt es einen kühlen Kopf und die Geduld zu bewahren, vor allem wenn wir den wirtschaftlichen Folgen der Krise begegnen wollen. Zudem zwingt uns die Krise zu einer Haltungsänderung, die ohnehin längst überfällig ist. Am Ende könnten positive Folgen stehen – für Mensch, Natur, Wirtschaft und Klima.
Das Wichtigste aktuell ist: Finger weg von allen Verschwörungstheorien, aber auch von aller Verharmlosung. Hier geht es weder um Gut noch um Böse oder Moral. Es ist einfach, was es ist, ein Virus (CoV). Es kam aus der Natur, wie sich die Natur eben entwickelt. Arten verschwinden, andere kommen, verändern sich. Das Zusammenleben Mensch und Natur ist mancherorts optimal, mancherorts suboptimal oder auch schwer belastet.
Niemand auf der Welt, kein einziger Politiker ist schuld, kein Minister trägt die Verantwortung dafür, dass es dieses Virus gibt. Ja, es hätte eine Möglichkeit gegeben, ganz am Anfang rasch eine Art neue chinesische Mauer rund um den größten Ausbruchsort oder gar ganz China zu ziehen. Dazu hätte die Welt China wohl mit Milliarden unterstützen müssen, dafür, dass es als ganzes Land in Totalquarantäne kommt. Aber erstens wäre dies wohl kaum durchsetzbar und so schnell machbar gewesen und zweitens ist ein Virus schlussendlich auch in der Lage, eine Quarantänestation zu verlassen, es lässt sich nicht einfach einsperren.
Dieses Virus kam auch nicht zu pädagogischen Zwecken, um uns dazu zu erziehen, weniger Müll wegzuwerfen oder weniger Reisen zu machen, weniger Konsum zu betreiben. Das Virus ist Teil einer Natur - Punkt.
Das Problem dabei ist, dass die Koexistenz zwischen diesem Coronavirus und uns, im Gegensatz zu so vielen Bakterien, die für uns überlebenswichtig sind, z. B. in der Darmflora, nicht funktioniert. Daran ändern auch Stellungnahmen oder Demonstrationen dafür oder dagegen nichts.
Vielmehr sollten wir sehr dankbar sein, dass dutzende Teams an Wissenschaftlern in internationaler Kooperation schon seit vielen Monaten Tag und Nacht unter maximaler Anstrengung mit den besten Absichten für die Menschheit an den zahlreichen Impfstoffentwicklungen arbeiten. Viele von ihnen hatten schon frühzeitig erkannt, was dieses Virus für die Welt bedeutet. Sie wussten, dass CoV nicht ohne medizinische Gegenmittel in den Griff zu bekommen ist.
Inzwischen gibt es erste zugelassene Impfstoffe gegen Covid-19 (CoV) - dank der Herkulesaufgabe, im atemberaubenden Rekordtempo von nur ca. 1 anstatt wie früher 10-15 Jahren, diese zu erforschen und zu entwickeln und die Produkte samt Logistik bereitzustellen. Auf diesen Impfstoffen liegt nun alle Hoffnung, um die Covid-19 Pandemie zu besiegen.
Regierungschefs wie der britische Premierminister Boris Johnson oder Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz stellten daher bereits für Frühjahr/Sommer 2021 so etwas wie Normalität in Aussicht. Doch das wird trotz der Impfstoffe nicht so schnell und letztlich nicht in dieser Art kommen. Eine Normalität wie vor Beginn der Coronavirus-Pandemie wird es nicht geben. Und darauf sollten wir uns, müssen sich unsere Staaten und Gesellschaften jetzt einstellen.
Angesichts vieler Verluste geliebter Menschen durch Corona und angesichts der harten wirtschaftlichen Folgen für viele mag es verwunderlich klingen – aber wir dürfen trotz aller Kollateralschäden die Zuversicht nicht verlieren, nicht in Panik geraten. Im Gegenteil, wir sollten auch die gebotenen Chancen in der Entwicklung sachlich erkennen und annehmen: Klug ist es jetzt, die veränderten Rahmenbedingungen nüchtern zu bewerten und mit ruhiger Hand den erforderlichen Wandel flexibel und zügig zu vollziehen, dann wird es trotzdem ein gutes Ende finden.
Herdenimmunität nicht erreichbar bis Winter 2021/2022
Natürlich sagen Regierungen nach den Corona-Wellen und Lockdowns, sie sähen nun Licht am Ende des Tunnels. Ohne dieses politische Signal gehen die Menschen entweder in die Aggression oder in die Depression. Beides kann man nicht wollen.
Es war und ist ein enger Tunnel, ein Tunnel aus Disziplin, Zurückhaltung, Rückzug in die eigenen vier Wände, auf seine Kernkompetenzen, ein Rückzug in das engstmögliche Begegnungsnetz, das man sich vorstellen kann, ein Verzicht auf vieles, ein Minimieren von vielem. Ein Zurücknehmen des Lebens, der Gewohnheiten die wir für normal gehalten haben. Der Wochenendpartys, der Reisen, Kreuzfahrten, der spontanen Flüge zum Städtetrip, dem dort und da Essengehen, Kaffeetrinken, Shoppen. Das was unsere Normalität war ist im Moment nicht mehr die erwünschte Normalität.
Daher leben wir jetzt anders. Übrigens so, wie es für viele unserer Vorfahren normal war. Zuhause im engsten Kreis, mit relativ wenig Ablenkung, mit viel Zurückgeworfensein auf sich selbst und allerengste Vertraute, mit einem sehr kleinen Beziehungsnetz ohne Globalisierung.
Immerhin können wir heutzutage die digitalen Medien zur virtuellen Präsenz rund um die Welt nutzen. Aber wir erkennen, es braucht zum Ausgleich eines Lebens in oder mit der virtuellen Realität, dennoch die echte Hand eines echten Menschen, die echte Umarmung mit einem nahen Vertrauten, den echten Baum, die echte Wiese, das echte Tier.
Interessant daran ist der Lernprozess. Wir erkennen, dass ein Leben in der physischen, materiellen Welt in zumindest kleinem Maß für uns alle äußerst wichtig ist, jedoch in überzogenen Maßen in keiner Weise mehr so von Bedeutung ist.
Aktuell mehren sich allerdings die Signale, dass der Tunnel doch noch ziemlich lang sein wird. Das am Ende sichtbare Licht ist zunächst zumindest 2021 betreffend, zwar weniger dramatisch als in 2020, dennoch dürfte es trotz rhetorischer Beruhigungspillen so mancher Politiker ein weiteres Jahr der Bescheidenheiten werden.
Bestimmt werden wir in Europa nach Ostern 2021 eine sukzessive Erleichterung sehen, immerhin werden die Impfstoffe bis dahin schon teilweise verabreicht und in immer größeren Mengen verfügbar sein, und weitere Impfstoffzulassungen sind absehbar. Schließlich waren per Mitte Dezember 2020 bei der WHO 222 CoV-Impfstoffkandidaten aus aller Welt angemeldet, wovon 56 sich bereits in der klinischen Erprobung und 166 in der vorklinischen Entwicklungsphase befanden. Dies dürfte uns im Laufe der Zeit eine Fülle an Alternativen bieten, selbst wenn davon nur ein kleiner Teil die Zulassung schaffen wird. Ebenso wird letztlich das wieder langsam einkehrende, wärmere Wetter im Frühjahr und Sommer zur Entspannung der Lage beisteuern.
Doch eine Herdenimmunität werden wir bis zum Winter 2021/2022 kaum schaffen. Die Lage dürfte bis dahin lediglich weniger kritisch und hoffentlich auch ohne weitere Lockdowns besser beherrschbar sein. Das Virus selbst allerdings ist und bleibt da, und es dürfte weiter mutieren. BioNTech-Chef Ugur Sahin schätzte nach der EU-Zulassung seines Impfstoffs im Interview auf dem TV-Sender n-tv, das Virus werde fitter und resistenter. Ob es schlicht leichter übertragbar ist wie die jüngste, ansteckendere Mutation aus Großbritannien und Südafrika, weshalb für eine Herdenimmunität sogar eine 80%ige Impfquote nötig wäre, oder ob es aggressiver wirkt, weiß heute niemand. Insofern ist es noch völlig offen, ob die derzeitigen Tests und Impfstoffe bei kommenden Mutationen funktionieren oder ob Anpassungen nötig sind.
2018: Neuer Wirkstoff gegen die seit 1980 ausgerotteten Pocken
CoV ist nun jedenfalls wie das Grippe-, Herpes- und HIV-Virus da. Man kann nur hoffen, dass es sich noch in dieser Dekade zu 90 Prozent und irgendwann später gar zu 99 Prozent eindämmen lässt wie etwa die Pocken. Aber selbst dann kann die Pandemie immer wieder irgendwo auf der Welt regional erneut ausbrechen. Weshalb sollte sich das Coronavirus insofern anders verhalten als ältere, inzwischen gut bekannte Viren? Obwohl die Pocken laut Weltgesundheitsorganisation seit 1980 ausgerottet sind, ist seit 2018 in den USA ein neuer Wirkstoff zugelassen. Sogar Jahrzehnte nach dem offiziellen Sieg über die Pocken scheint die Gefahr nicht gebannt.
Dass das Coronavirus in Kürze ganz besiegt sei, erscheint vor diesem Hintergrund wie eine naive Illusion. Eine evolutionsbiologische Immunität des Menschen mag in einigen Generationen denkbar sein. Aber bis dahin wird es immer um die Frage gehen, ob und wie sich das Virus so weit zurückdrängen lässt, dass es nur noch in einem Labor als Asservat existiert wie etwa das Pest-Bakterium.
Um diesen Zustand zu erreichen, genügen Impfstoffe alleine nicht. Sie schützen nicht hundertprozentig – bislang liegt der höchste bekannte Wirkungsgrad bei etwa 95 Prozent –, und sie sind vor allem auch nicht für alle Personengruppen geeignet oder zugelassen, wie beispielsweise für Jugendliche, Schwangere oder bei schweren Allergien.
Deshalb gibt es zwei Forschungsmaschinerien: Medikamente bzw. Heilmittel für Erkrankte – welche jedoch noch nicht verfügbar sind - und eben die andere zum Schutz, die Prävention, also die Impfung.
Das sind alles Maßnahmen, die uns, unserer Gemeinschaft und Gesellschaft, nicht schaden, sondern helfen sollen. Dabei wird alles versucht, um uns diese Mittel schnellstmöglich, sicher und in ausreichender Menge zu vernünftigen Kosten bereitstellen zu können.
Ein Impfstoff verhindert nicht zwangsläufig die Übertragung des Erregers
Insofern wird das Individuum auch in absehbarer Zukunft einen von zwei Wegen wählen, um der Pandemie und potenziellen Infektionen zu begegnen:
Erster Weg: keine Impfung. Viele Menschen werden sich ohne Impfung weiterhin vernünftig, diszipliniert und unter Beachtung aller Hygieneregeln verhalten, um nicht infiziert zu werden. Sie hoffen für den Fall der Fälle auf einen glimpflichen Infektionsverlauf und auf die Wirksamkeit dann zur Verfügung stehender Medikamente.
Zweiter Weg: Impfung. Menschen lassen sich möglichst rasch impfen und nehmen die Impfrisiken in Kauf, weil sie sich selbst und auch andere nicht infizieren oder selbst erkranken wollen. Wobei eine Impfung den Geimpften zwar zu einem bestimmten Prozentsatz schützt, aber nicht zwangsläufig verhindert, das Virus weiterhin zu bekommen und zu übertragen. Die Lage könnte vergleichbar sein mit der Polio-Impfung: Die inaktive Polio-Vakzine (IPV) von 1955 immunisiert, verhindert aber keine Übertragung; die orale Polio-Vakzine (OPV) von 1961 unterbindet neben der Infektion auch die Ansteckung anderer. Immunisierung bedeutet eben nur, dass der Geimpfte nicht erkrankt – Träger eines Virus kann er nach wie vor noch sein. Ob Impfungen die Corona-Pandemie stoppen, ist insofern fraglich (Impfstoff gegen das Coronavirus: Biontech/Pfizer-Vakzin wurde in der EU als auch in der Schweiz zugelassen). Weswegen auch eine Impfung aller Voraussicht nach nicht von der Maskenpflicht befreit!
Die Schwierigkeit bei allem ist die Zeit, die wir nicht haben. Sicher gehen die Forschungen zu Impfstoffen und Medikamenten im Eiltempo weiter, und das Tempo der Zulassungen ist enorm. Was wir allerdings nicht testen können, sind die Langzeitfolgen: Selbst der zugelassene Impfstoff von BioNTech/Pfizer kann noch nicht mit einer klinisch abgeschlossenen Testphase 3 geschweige denn mit Phase 4 aufwarten. Diese Phasen sind geplant für Juli 2021, der Abschluss der Tests für Januar 2023. Dass es bei keinem gar keine Langzeitfolgen gibt, ist bei einem Impfstoff erfahrungsgemäß eher unwahrscheinlich.
Nicht bewusst scheint der breiten Öffentlichkeit jedenfalls zu sein: Die ersten Impfstoffe sollen vorrangig den Ausbruch der Krankheit verhindern oder deren Verlauf lindern. Auch nur darauf beziehen sich Aussagen über die Wirksamkeit, etwa von 95 Prozent. Eine völlig andere Frage ist, ob ein Impfstoff auch die Verbreitung des Virus durch einen Geimpften verhindern kann, die Übertragung.
Dennoch wird jeder Geimpfte schlussendlich die Welt ein kleines Stückchen sicherer und geschützter machen.
Schwerer Verlauf ebenso wenig riskant wie negative Impffolgen?
Die Entscheidung „impfen oder nicht impfen“ überlassen die Regierungen der westlichen Welt den Menschen – Politiker versichern bislang, es werde keine Impfpflicht geben. Nun leben wir – Gott sei Dank – in einer Gesellschaft und Rechtsordnung, wo wir Eingriffe in unseren Körper, unsere Gesundheit frei zulassen oder ablehnen und nicht so einfach gezwungen werden können. Diese Freiheit ist zugleich jedoch auch unsere eigene Verantwortung, für sich und andere. Deswegen wird dieses Thema wohl auch so heiß diskutiert.
Natürlich hat jeder Eingriff, jedes Medikament, jede Operation, ja sogar jede Impfung möglicherweise bei irgend jemandem auch einmal eine Nebenwirkung oder Spätfolgen, weil eine Impfung das Immunsystem stark herausfordert. Dies ist ja auch gewünscht, denn sie soll dem Körper eine eigene Antwort auf den Virus geben. Der Körper bekommt damit mächtig zu tun. Im Vergleich zu Grippe-Impfstoffen gab es häufigere Nebenwirkungen, dennoch waren sie in den Phase-3-Studien bei den zehntausenden Teilnehmer*innen nicht dramatisch. Es gilt im Krankheitsfall wie im Impffall genau dasselbe: je besser das Immunsystem, desto besser ist man aufgestellt, und zwar in der eigenen Abwehr der Erkrankung genauso wie im Umgang mit einem Impfstoff oder Medikament.
Der Mensch als Individuum, in der Regel unzureichend informiert, steht also vor der Wahl: Entweder es lässt sich mit nicht abschließend erforschten Impfstoffen impfen, wobei er auch geimpft noch Überträger sein kann und wobei je nach Immunsystem- und Körperverfassung unerwünschte Reaktionen auftreten können – was den Menschen aber meist nicht bewusst ist. Oder aber das Individuum lässt sich nicht impfen und trägt damit nicht zur Herdenimmunität bei.
Und so ist es für den fitten und gesunden Bürger offenbar gleichbedeutend, ob er sich impfen lässt oder sich ohne Impfung vernünftig verhält. Ohne Vorerkrankungen wie Herzinfarkte, Diabetes oder Lungenerkrankungen ist das Risiko einer Infektion mit schwerem Verlauf wohl ebenso gering wie das Risiko schlimmer Spätfolgen einer Impfung. Wozu also sollte der freie Bürger entscheiden, sich impfen zu lassen? Wäre CoV so gefährlich wie das Denguefieber oder Ebola, würde sich diese Frage nicht stellen. Dass CoV weniger gefährlich ist, ist in gewisser Weise ein Glück und zugleich das Problem bei der Impfbereitschaft. Deshalb leisten wir uns den Luxus, frei zu wählen, ob und wann wir uns impfen lassen oder nicht.
Wer bezüglich seiner Impfentscheidung lieber abwartet, später entscheidet, sollte dennoch vermeiden, einfach nur eine Schwarz-Weiß-Position einzunehmen. Gerade um nicht den Wissenschaftlern die für uns hochengagiert bis zur Erschöpfung daran forschen und arbeiten in den Rücken zu fallen.
Wer sich jedoch impfen lassen will – oder muss – wird sich eventuell auch fragen, welcher der vielen Impfstoffe zu bevorzugen ist. Denn wie es aussieht, dürften wir im Laufe des Jahres 2021 zwischen zumindest fünf und sieben, vielleicht sogar bis zu zehn zugelassenen Optionen die Wahl haben, zu denen laut dem „versehentlichen“ Leak der Belgischen Staatssekretärin Eva De Bleeker gehören (Preis pro Einzeldosis zumindest zwei werden jeweils pro Person benötigt).
An dieser Qual der Wahl zeigt sich, wie verschieden Impfstoffe und Impfstoffarten sein können: Es gibt einerseits Lebend- sowie Totimpfstoffe und andererseits die genbasierten Vektor-, mRNA- oder DNA-Impfstoffe. Während die erstgenannte Kategorie abgeschwächte oder abgetötete Krankheitserreger – Antigene genannt– in den Körper einschleust und schon lange erforscht und angewendet wird, verabreichen die genbasierten, biotechnologischen Impfstoffe anstatt eines fertigen Antigens nur den genetischen Bauplan für ein Antigen in den Körper. So regt beispielsweise das Botenmolekül mRNA (das „m“ steht für messenger und „RNA“ für ribonucleic acid, zu Deutsch: Ribonukleinsäure) - die Bildung eines Virus-Eiweißes an, ähnlich wie es die meisten Erkältungsviren nutzen. Die mRNA wird dabei nicht in das Erbgut des Menschen eingebaut. Dieses Eiweiß löst eine Immunreaktion aus, um den geimpften Menschen vor dem Virus zu schützen. Der Covid-Impfstoffkandidat „Delta 19“ wird übrigens, so der die Zulassung schafft, per Nasenspray verabreicht und soll nicht nur gegen CoV, sondern auch gegen alle Grippearten schützen. Und zwar auch gegen die Übertragung.
Eine empfehlenswerte Übersicht zu den Impfstoffen und den Stand der Dinge per Ende 2020 finden Sie hier: Corona: BioNTech, der SARS-CoV-2-Virus, die Impfstoffe und die Impflandschaft
Enorme Impfstoff-Vielfalt: Gen- und Nanotechnologie
Ein spannender Aspekt sind die genetischen Impfstoffe. Sie sind erst seit etwa zwanzig Jahren Gegenstand der Forschung. So hat CureVac-Gründer Dr. Ingmar Hoerr im Zuge seiner Doktorarbeit in Tübingen 1999 aus seiner Entdeckung im Labor die mRNA-Technologie erschaffen, auf der nun große Hoffnung liegt. Allerdings sind genbasierte Impfstoffe bislang wenig erprobt und waren noch nie breitenwirksam im Einsatz, nie für den Menschen zugelassen, denn es war noch kaum ein unproblematischer, erfolgreicher Kandidat darunter. Genetisch designte Impfstoffe wirken völlig anders als konventionelle Impfstoffe und erfordern daher neue Forschungsansätze, die naturgemäß ihre Zeit in Anspruch nehmen. Zugleich haben Pharmakonzerne enormes Interesse, diese neuen Biotechnologien rasch durchzusetzen. Sie sehen in der aktuellen Krise ihre große Chance dafür gekommen und betreiben intensives, mediales Lobbying. Ein gutes Argument ist die Zulassung zweier biotechnologischer Vektorimpfstoffe gegen Dengue-Fieber und Ebola, und mit dem Impfstoff von AstraZeneca gegen CoV dürfte auch in der EU eine dritte Zulassung eines Gentechnik-Impfstoffes bald folgen.
mRNA-Impfstoffe arbeiten zudem mit Nanopartikeln, die als Arzneimittelabgabesystem dienen: Per Ultraschall werden Pharmazeutika in Lipid-Nanopartikeln verkapselt. Das ist ein Grund, warum der Impfstoff von Pfizer/BioNTech eine Kühlung von unter -70 Grad Celsius, Moderna noch immerhin -20 benötigt.
Nanopartikel sind, siehe meinen Artikel, ab einer bestimmten Menge ein ernstes Problem. Laut Aussagen von Pharmaherstellern verschwinden diese Nanopartikel nach der Impfung rasch aus dem Körper, was allerdings stark zu bezweifeln ist. Denn Nanopartikel kennen keine Barriere – es ist ja kein Material kleiner als sie und könnte sie aufhalten. So wandern Nanopartikel im Körper herum, und es ist nicht davon auszugehen, dass alle Partikel nur kurz im Körper verbleiben. Ob und wann Nanopartikel den Körper verlassen, weiß man eben nicht, denn dies zu erforschen, ist technologisch heute noch gar nicht möglich.
Allerdings ist die Menge der Nanopartikel, die über die Impfung in den Körper gelangen, verschwindend gering – verglichen zu den Mengen, die wir durch Shampoo, Nahrung, Kleidung und Kunststoffe zu uns nehmen. Da macht das Impfen nicht den gravierenden Unterschied.
Warten auf risikoärmere Impfstoffe
Alles in allem mag es verständlich sein, dass vorsichtige, konservativ denkende Menschen lieber weitere Impfoptionen abwarten oder altbewährte Impfstofftypen vorziehen. Dies selbst dann, wenn ein solcher Impfstoff – laut derzeitigen Testergebnissen – eventuell nicht durchgängig so hochprozentig wirksam ist wie die neuen bzw. moderneren mRNA-Impfstoffe mit ihren bis zu rund 95 Prozent Wirkungsgrad, welche gemäß meiner ausgiebigen Recherche jedenfalls ein insgesamt besseres Wirksystem haben und daher leichter verträglich für Immunschwache und Ältere sind, und genauso gut für Jüngere und Immunstarke hochwertig schützen. Das macht aber relativ wenig aus, weil eine Verbesserung des Schutzes von 0 auf 70 bis 80 Prozent immer noch eine signifikante Verbesserung ist, sogar verglichen mit den rd. 50-60 % der üblichen Grippe-Impfung.
Insofern ist es nachvollziehbar, wenn viele Menschen außerhalb der Risikogruppen lieber abwarten und anderen Menschen, die eine Impfung dringender benötigen, den Vortritt lassen, um zu sehen, wie sich die Erfahrungen damit entwickeln. Im Laufe der Zeit, in den nächsten Monaten und Jahren, ist auch anzunehmen, dass es bessere Kriterien für die Impfungen gibt, beispielsweise für Ältere, für Frauen, Männer, Menschen dieser oder jener Provenienz. Momentan kann niemand sagen, wie viele Komplikationen es unter welchen Umständen geben wird.
Letztlich wird jedoch eine Impfung mit dem einen oder anderen Wirkstoff, für uns alle weltweit das Beste sein, was uns passieren kann. Unentschlossene können also noch in Ruhe abwarten, es gibt ja bald mehrere Alternativen, dann hat man die Wahl. Die Impfstoffe verschwinden ja nicht einfach wieder. Die bleiben genauso da, wie das Virus. Sicher sind die bei uns geprüften und zugelassenen Impfstoffe nach menschlichem Ermessen alle. Unsicher bleiben sie jedoch in gewissem Maße ebenso, weil Menschen Individuen sind. Und was bei 9.999 Geimpften gut geht, kann beim 10.000sten u. U. arge Nebenwirkungen oder Spätfolgen verursachen, was denjenigen nicht tröstet, denn es eventuell trifft. Das ist das Restrisiko, mit dem wir alle zu leben haben, das Leben ist eben auch zu einem Teil lebensgefährlich.
Der „Immunitätsnachweis“ ist Augenwischerei
Diese Unsicherheit bewirkt Verunsicherung. Angesichts der vielen Unwägbarkeiten versuchen Menschen, selbst Antworten auf die Fragen zu finden, die sie beschäftigen. So ist immer öfter die Sorge zu hören, dass der Impfstatus das entscheidende Kriterium dafür sei, wie frei wir uns künftig bewegen können. Auf Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen tragen Impfgegner immer wieder nachgebildete „Judensterne“ mit der Aufschrift „Ungeimpft“ – sie behaupten damit für sich die gleiche Qualität von Stigmatisierung, wie sie ab 1941 im „Dritten Reich“ die Juden betroffen hat. Sehen wir über diese fragwürdige Zuspitzung hinweg, die als Verharmlosung des Holocaust gilt, ist eine Stigmatisierung oder Benachteiligung nicht Geimpfter in der westlichen Welt eher unwahrscheinlich. Auch wenn Impfungen künftig vereinzelt vorgeschrieben sind, wie es beispielsweise die Airlines Qantas für Reisen nach Australien sowie und Korean Air für Südkorea ankündigten.
Eher wird es vielmehr künftig zwei Optionen geben, wie sie auch der Airlineverband IATA mit einem digitalen Reisepass vorschlägt: Entweder weist jemand eine Impfung nach oder hat ein aktuelles negatives Testergebnis. Diese Informationen sollen neben den üblichen Daten in einem digitalen Pass gespeichert und auf dem Flughafen vorzeigbar sein. Wobei allerdings wiederum klar sein sollte, dass kein Impfstoff zu 100 Prozent wirksam ist. Zudem schützt eine Impfung je nach Impfstofftyp – wie erwähnt – nicht automatisch vor Übertragung.
Obwohl ein angeblicher „Immunitätsnachweis“ nur scheinbar Sicherheit gibt und letztlich Augenwischerei ist, wird sicher noch sehr lange die Idee verfolgt, ein Impfausweis würde bedeuten, dass jemand nicht ansteckend ist. Das Gleiche betrifft den Test, wenngleich ein negatives Testergebnis, bei fehlender Impfung, bald zum guten Ton selbst für Einladungen zuhause gehören dürfte – obwohl auch ein Test nicht hundertprozentig sicher ist. Die Entwicklung von einfachen und schnellen Selbsttests läuft ebenso unter Hochdruck.
Wenn eine Impfpflicht kommt, kommt sie im Westen nicht explizit, sondern implizit. Die Impfung ist dann zwar keine Pflicht, aber de facto ist die Bewegungsfreiheit ohne Impfung massiv eingeschränkt. Eine solche Situation ist theoretisch für spezifische Gruppen denkbar, in denen viele Leute aufeinandersitzen – wie etwa in Pflegeheimen, Krankenhäusern oder Gefängnissen. Doch auch das kommt wegen der zu schaffenden rechtlichen Rahmenbedingungen eher nicht vor 2023, zumal eine implizite Impfpflicht in der westlichen Welt auf einige rechtliche Hürden stoßen dürfte. Ausgeschlossene werden wegen Diskriminierung klagen, und die Gerichte werden anhand der Grundrechte entscheiden, inwieweit die Benachteiligung Ungeimpfter rechtens wäre.
Eine andere Situation haben wir in autoritär geführten Ländern: Dort erkennen Regierungen möglicherweise, wie leicht sich Menschenrechte aushebeln lassen. Eine Pandemie, ein Bedrohungsszenario – und schon geht alles. Dann kann eine Regierung sämtliche Gesetze auf den Kopf stellen, Parlamente mundtot machen und juristische Prozesse lahmlegen. Und wer sich dagegen auflehnt, wird als verrückt gebrandmarkt, als Bedrohung. So eine Entwicklung droht gerade in führungslabilen Ländern, sie kann aber auch in etablierten Demokratien zur Versuchung werden. Wir müssen als Gesellschaft aufpassen, dass Rechtsstaat und Demokratie intakt bleiben, zumal Gerichte schon im Jahr 2020 zahlreiche Freiheitseinschränkungen seitens der Regierungen beispielsweise in Deutschland und Österreich wieder kassiert haben.
Manche westlichen Politiker scheinen China zu beneiden, weil sich dort Entscheidungen ganz einfach über das Volk hinweg treffen lassen. Sie sehen: Wenn China über menschenverachtende und brutale Maßnahmen die Pandemie besser in den Griff bekommt, hat China einen Vorteil. Vor allem einen wirtschaftlichen Vorteil, und auch einen Vorteil in der öffentlichen Meinung. Der Erfolg könnte den autoritären Regimen Recht geben, wenn jeder sagt: Wir sollten es so machen wie die Chinesen, das ist effektiv! Sehr schnell könnten die Argumente der Demokratien in den Hintergrund geraten – Menschenwürde, Menschenrechte, Wertegemeinschaft –, weil die Wirtschaft sich für derlei ethisch hohe Standards unter großem Druck kaum noch interessiert.
Dabei ist sogar unser Grundgesetz hart erkämpft und nicht selbstverständlich, es fiel nicht einfach so vom Himmel. Dass die Würde des Menschen unantastbar ist, ist eine hohe Kultur-, Erkenntnis- und Intelligenzleistung. Dies muss gelebt, erhalten und an jede Generation neu weitergegeben werden.
Auch deshalb versuchen westliche Regierungen, ihr Bestes zu geben. Deswegen geben sie sich zunehmend besorgt und appellieren an Vernunft und Eigenverantwortung. Westliche Politiker merken genau, dass das Appellieren, das Bitten und Betteln, das ständige Von-Neuem-Erklären weit weniger gut funktioniert als das Agieren mit Schlagstock, Einmauern und Handschellen in anderen Ländern der Welt. Genau deswegen feiern Jugendgruppen in Berlin-Neukölln Silvester mit verbotenem Alkohol und verbotenen Böllern, und Polizeiwagen fahren einfach nur vorbei (Rundfunk Berlin-Brandenburg, Abendschau 1.1.2021), und genau deswegen können in der Bretagne 2500 Menschen über den Jahreswechsel 2020/2021 anderthalb Tage lang eine illegale Technoparty feiern.
Und darin besteht die Gefahr: Wenn die öffentliche Meinung irgendwann verlangt, wegen der vielen Unbelehrbaren rechtsstaatliche Prinzipien einzuschränken und sich autoritäre Staaten wie China zum Vorbild zu nehmen, dann bekommen wir eine weniger demokratische Gesellschaft – und darin würde sich mit der Zeit eine Oligarchie ausbilden, in der wir uns Freiheitsrechte kaufen. Freiheiten sind dann nicht mehr ein Menschenrecht, sondern etwas, was man sich leisten kann oder nicht. Das wäre das Schlimmste, was passieren könnte.
Hingegen wäre das Beste, was passieren könnte: Die demokratisch geführten Länder, ihre Regierungen und Bürger behalten die Nerven und eine Restvernunft in ihrem Verhalten. Dadurch tragen alle dazu bei, dass eine kontrollierte Eindämmung von CoV schon 2021 zügig beginnt, der Winter 2021/2022 deutlich besser verläuft und es nur noch punktuelle Virus-Ausbrüche gibt. Das wäre ein stärkendes Signal für die Demokratien, die damit beweisen, dass sich das Sinnvolle auch ohne „harte Hand“ erreichen lässt. So ließen sich Freiheit und Sicherheit zugleich retten.
Sich der neuen Situation anpassen, statt Ungeimpfte auszuschließen
Einstweilen aber gibt es zwischen diesen beiden Perspektiven noch keine klare Entscheidung, und zu viele Menschen verhalten sich unvernünftig. Darum haben wir die Debatten um Impfnachweise und Ähnliches. Stellen wir uns eine Airline vor, eventuell sogar in der CoV-Krise staatlich unterstützt, die Ungeimpfte ausschließt: Die Reaktion der Öffentlichkeit könnte, neben Diskriminierungsklagen, ein Shitstorm samt anhaltendem Bashing gegen diese Airline sein, und in der Folge könnte eine ohnehin angeschlagene Airline zurückrudern. Denn gerade Airlines werden froh um jeden einzelnen Passagier sein. Bei Hotels, Restaurants und Veranstaltungen dürfte es nicht anders aussehen.
Vor diesem Hintergrund werden sich Unternehmen andere Möglichkeiten überlegen und durch technische Lösungen mehr Sicherheit und damit Vertrauen schaffen, wie etwa mittels UV-Strahlung, speziellen Luftfiltern und anderes verbessern, was gegenüber Anbietern, die sich nicht anpassen, ein deutlicher Wettbewerbsvorteil sein dürfte.
Das Virus ist da, es bleibt da, Impfstoffe wirken nicht 100%ig, sie machen nicht automatisch immun. Das ist die Situation, und Menschen und Unternehmen sollten sich anpassen. Einen Grund, in Panik und Misstrauen zu verfallen oder die Sache aufzuheizen und negativ aufzuladen, gibt es nüchtern betrachtet nicht. Mit dieser Krise werden die am besten umgehen, die sich mit kühlem Kopf und gut überlegt darauf einrichten. Dazu gehört vernünftiges und die eigene Existenz schützendes Verhalten sowie betreffend das Risiko der Gefährdung auch an die anderen zu denken, Vorsicht walten zu lassen und stets aufs Neue zu überlegen, mit wem man sich warum trifft, ob der Nutzen das Risiko wert ist. Dazu gehört es, die Zahl der direkten Kontakte überschaubar zu halten und zu schauen, welche Treffen – ob privat oder geschäftlich – sich auf Zoom & Co. verlagern lassen.
Hinzu kommt noch ein wichtiger Aspekt, das eigene Immunsystem: Panik, Stress, Dauersorge, Mangel an Bewegung, Fitness, gesunder Ernährung, Licht, Luft, Natur sowie Freude an eigener Bestimmtheit im Leben wird das Immunsystem schwächen. Dies, weil es unsere souveräne, eigenbestimmte Persönlichkeit schwächt. Daher sollten wir alles tun, was unser Immunsystem stärkt, dann können wir auch die Impfung sehr gut vertragen.
Ein weiterer Grund, Ruhe zu bewahren, cool zu bleiben: Es wird sowieso turbulent. Unvermeidbar. Schon die Entwicklung und ausreichende Produktion und Verteilung der Impfstoffe und Medikamente wird nicht so einfach, wie sich das viele Menschen derzeit vorstellen. Es wird organisatorisch und politisch durchaus noch chaotisch werden, auch wenn ein Teil der Bevölkerung den einen oder anderen Impfstoff annimmt. Manche Gruppen wollen sich unter keinen Umständen impfen lassen, andere möchten unbedingt zu den Ersten gehören. So werden viele Junge, die ihre vielen Kontakte uneingeschränkt pflegen und Party machen wollen, vor den Alten geimpft werden wollen, andere werden sich aus egoistischen Gründen vorzudrängen versuchen, auch die Entstehung eines Impftourismus ist nicht auszuschließen. Dann hat die Wirtschaft ihre Interessen, sie will weiterhin verdienen, darunter auch die Hersteller von Masken und die Labore. Um das Milliarden-Jahrhundertgeschäft der Pharmafirmen rund um die Impfstoffentwicklung mag es noch heftige Kämpfe geben. Auch darauf sollten wir uns einstellen.
Durch Globalisierung und Mobilität wird Impfen Dauerzustand
Auch wegen unserer hohen Mobilität wird die CoV-Pandemie noch lange andauern, selbst wenn jetzt viele im Homeoffice arbeiten. Es geht ja nicht nur um uns, sondern das Virus grassiert weltweit. Es reicht nicht, alle Menschen im eigenen Land oder in der gesamten EU zu impfen. In unserer globalisierten Welt müssten wir die Mobilität komplett unterbinden, und das wird nicht möglich sein. Wir müssten Orte, Regionen und letztlich den Kontinent hermetisch abriegeln und jeglichen Austausch unterbinden, wie das in China per Anweisung von oben geschieht, wenn irgendwo die Infektionszahlen steigen. In diesem abgeriegelten Zustand müssten wir erst einmal abwarten, wie lange die Wirkung der Impfungen tatsächlich anhält. Heute ist das nämlich noch überhaupt nicht klar.
Und auch ohne Abriegelung werden die Impfzentren noch lange oder gar dauerhaft bestehen. Hausärzte werden – sozusagen im Nebenjob – ständig weiter impfen, weil immer wieder irgendwelche Leute neu nachgeimpft werden müssen, ob nun der Schutz zu kurzfristig ist, oder ob das CoV so mutiert, dass die Impfstoffe verändert werden müssten, um wieder zu wirken. Insofern lässt sich relativ sicher sagen, dass das Impfen zur Dauereinrichtung wird.
Die Frage der Langzeitwirkung ist eben noch nicht beantwortet. Im besten Falle würde eine Impfung ebenso zehn Jahre lang wirken wie bei der Tetanus-Impfung, die übrigens vier Mal verabreicht wird. Eine Wirkung von zehn Jahren bei einer zweimaligen Verabreichung eines Covid-19-Impfstoffes wäre großartig. Wenn das so wäre, wäre die Situation relativ entspannt. Aber wenn der Impfstoff nur ein halbes, ein Dreivierteljahr oder ein Jahr hält, oder auch zwei oder drei Jahre, dann wird das Impfen zum organisatorischen und finanziellen Problem.
Und was ebenfalls nur wenigen klar ist: Wer sich heute mit einem CoV-Impfstoff der ersten Generation infizieren lässt, der zwar vor Erkrankung schützt, nicht aber die Übertragung verhindert, könnte in wenigen Monaten oder Jahren vor der Situation stehen, sich mit einem völlig anderen Impfstoff der zweiten Generation, an dem die Forschung auch intensiv arbeitet, erneut impfen zu lassen, der dann erst auch die Übertragung hemmt.
Hinzu kommt das Problem der Verfügbarkeit. So meinen die Forscher an der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health in den USA, dass jeder vierte Mensch sowieso erst frühestens im Jahr 2022 gegen Covid-19 geimpft werden kann. Der Grund dafür sei, dass die reichen Länder mit weniger als 15 Prozent der Weltbevölkerung rund 50 Prozent der verfügbaren Impfdosen für sich beanspruchen. Den Rest müssen die Staaten mit niedrigem und mittlerem Einkommen unter sich aufteilen, trotz deren Weltbevölkerungsanteil von 85 Prozent.
Der Punkt jedenfalls, an dem die Welt aufatmet, weil das Virus in den vergangenen drei Monaten nur noch fünf Mal in irgendeinem Urwald festgestellt worden ist – das braucht Jahre. Das Thema wird 2021 nicht abgeschlossen sein, und auch 2025 ist ein ambitionierter Horizont. Ohne eine geniale, internationale Zusammenarbeit ist das kaum früher denkbar. Realistischer ist es eher, dass uns Covid-19 noch mindestens das gesamte Jahrzehnt herausfordert. Darüber sollten wir uns im Klaren sein, und wir sollten uns darauf einstellen.
Die Zombifizierung der Wirtschaft
Ein weiteres Damoklesschwert im Schlepptau der CoV-Pandemie, das uns noch viele Jahre und Jahrzehnte beschäftigen, belasten und einschränken wird, ist die dramatische Aufblähung der öffentlichen Verschuldung. Denn die Unsummen gedruckten Vermögens, die aufgrund der Covid-19-Pandemie nun um den Globus bewegt werden, waren noch nie in der Geschichte der Menschheit größer als jetzt.
Allerdings hat die Politik wenig Spielraum, man kann die Wirtschaft unter der Pandemie nicht kollabieren lassen. Klar gibt es dabei auch sinnlos rausgeworfenes Geld, denn diese schnellen Maßnahmen gleichen eher Schrottschüssen als Plattschüssen.
Man halte sich nur einmal die Entwicklung der ausufernden Geldmenge alleine der EU-Zentralbank im Euro-Raum vor Augen – andere Währungsräume wie die USA mit ihrem Dollar sehen da noch schlechter aus. Und eines sagt der Hausverstand: wenn es von etwas immer mehr gibt, sinkt dessen Wert und nicht umgekehrt.
Im Euro-Raum entwickelte sich die Geldmenge wie folgt:
Also eine erschreckende Ver-14-fachung der Geldmenge seit Einführung des Euro! Wobei dies wohl kaum das Ende der Fahnenstange sein wird.
Dies hat, neben den CoV-Zuschüssen und -Rettungsprogrammen, natürlich unmittelbar auch mit der galoppierenden Staatsverschuldung einiger EU-Länder zu tun, die die Maastricht-Grenze von 60 Prozent deutlich übersteigt.
Übersicht Schuldenquote aus BMF Monatsbricht November 2020:
Wie diese Staaten ihre zum Teil extrem über 100 Prozent liegende Schuldenquote jemals tilgen sollen, bleibt ein Rätsel. Nüchtern betrachtet wird eine gänzliche Tilgung ziemlich unwahrscheinlich. Dabei bedenke man, dass zudem die Zinsen schon seit Jahren künstlich niedrig gehalten werden, sonst sehe es noch schlimmer aus. Es zeigt sich einmal mehr, es war ein kardinaler Geburtsfehler des Euro, nicht zumindest 3-Euro-Zonen mit unterschiedlichen Bewertungsmöglichkeiten zu schaffen.
Angefeuert gerade durch die jahrelange Niedrigzinspolitik erleben wir eine De-facto-Inflation, auch wenn diese außerhalb des statistischen Konsumgüter-Preisindexes abläuft, nämlich z. B. in der Entwicklung der Immobilienpreise.
Dies zeigt z. B. diese Übersicht zur Entwicklung der Immobilienpreise in ausgewählten Euro-Ländern seit der Lehmann-Pleite im September 2008:
Quelle für alle obigen Tabellen, Prof. Dr. Hans-Werner Sinn vom ifo-Institut
Mitsamt den Auswirkungen der CoV-Pandemie kann das zu einer Zombifizierung der Wirtschaft führen – zu einem Zustand, in dem Unternehmen nur noch durch billige Kredite am Leben gehalten werden. Dies führt, wie der österreichisch-amerikanische Nationalökonom Joseph Schumpeter (1883-1950) schon in seinen makroökonomischen Schriften (Schöpferische Zerstörung bzw. engl. creative destruction) aufzeigte, zur Beeinträchtigung der Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit in der Wirtschaft. Des weiteren könnten es zu einer erheblichen Inflation oder einer Stagflation, zu Steuererhöhungen und einhergehenden Staatsausgabenkürzungen führen.
Oder es wird irgendwann, in einer der nächsten Dekaden, einen runden Tisch und einen Schuldenschnitt insgesamt geben, denn dieses hohe, kaum mehr abzubauende Schuldenniveau in dieser globalen Verbreitung ergibt letztlich irgendwann keinen Sinn mehr, und man streicht, wie schon so oft in der Geschichte mit Staatsbankrotten geschehen, sich gegenseitig einen Großteil der Schulden und so manche Null bei den Währungen.
Diesen Mühlstein dieser enormen Verschuldung um unseren Hals sollten wir, die Post-CoV-Normalität betreffend, mit bedenken. Wenngleich CoV zum Glück kein Know-how vernichtet, noch Betriebsstätten zerbombt, auch die Infrastruktur nicht kaputt macht.
Ruhe bewahren und entschleunigen
Insofern ist das Beste, was wir jetzt in der CoV-Pandemie tun können:
Das hält uns gesund und ist ungefähr so wichtig, wie die Impfung. Dies ist sozusagen eine mentale Impfung, die wir uns selbst verpassen können. Es ist sinnvoller, überlegt zu handeln als überstürzt. Wirklichen Zeitdruck gibt es in vielen Belangen nicht, denn vielfach sind uns derzeit noch die Hände gebunden, wir haben es mit einer langfristigen Perspektive zu tun. Diese Einstellung durchzuhalten ist sehr wichtig, denn all jene, denen es nicht gelingt, die Ruhe und Geduld zu bewahren, werden es ziemlich schwierig haben. Sie werden entweder mit der Sinnlosigkeit zu kämpfen haben, weil sie keine Antwort auf die Warum-Frage finden, oder andererseits in den Frust, in die Verzweiflung, in das Dauerjammern, in eine chronische Übellaunigkeit oder Sorge hinabgedrückt werden, und riskieren damit eine Depression. Dann können sie dem Druck nicht mehr Stand halten, lassen sich plattdrücken wie die Wanzen, dann wird es kritisch.
Sicher: Der zweite Punkt mag auf Menschen fast zynisch wirken, die durch Covid-19 in Existenznot geraten sind. Letztlich ist damit gemeint, aus der Not eine Tugend zu machen. Sicher ist es zuallererst eine Not, wenn wir Kontakte und wirtschaftliche Aktivitäten zurückfahren müssen. Und darunter leiden wirtschaftlich auch unzählige Unternehmen und damit Menschen. Aber wir können die Lage nicht im Handumdrehen ändern. Auch wer wirtschaftlich von der Krise hart getroffen ist, hat nur eine Wahl: sich neu zu orientieren. Viele früher erfolgreiche Geschäftsmodelle wie etwa in der Reisebranche aber auch im Handel kommen möglicherweise so nicht zurück. Und selbst wenn, ist es jetzt an der Zeit, Zwischenlösungen zu finden.
Auch bedeutet die Besinnung aufs Nötige praktisch einen bestmöglichen Ausgabestopp und infolge ausfallende Einnahmen für Anbieter der Produkte und Dienstleistungen, die wir uns bisher aus hohem Komfort oder reiner Lust gegönnt haben. Der Appell, dass wir minimieren, ist gleichwohl richtig. Er wird unsere Wirtschaft ein wenig erden. Es geht auch mit weniger Konsum, weniger Reisen, weniger Party, weniger Networking und weniger Jetset. Auch reicht es für die meisten von uns, etwas weniger zu haben, es braucht in diesen Zeiten nicht mehr so viel Make-up, Mobilität und laufend neue Kollektionen von Markenkleidung, es braucht nicht alle paar Jahre ein neues Auto, jährlich ein neues Smartphone. Weniger tut’s auch.
Und ja, sicher: Klassische Wirtschaftsvertreter schlagen auch hier die Hände über dem Kopf zusammen. Wir sollen keine Autos kaufen? Der Sinn der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung etwa in Deutschland von 19 auf 16 Prozent von Juli bis Dezember 2020 war es doch gerade, den Konsum zu stärken! Doch dies hat laut einer ifo-Studie von Anfang 2021 nicht funktioniert. Denn die Menschen besinnen sich in der Krise auch intuitiv eher aufs Nötige und Sinnvolle als auf Komfort und Luxus. Selbst der weithin bekannte TV-Moderator Frank Elstner überraschte, als er am Jahresende 2020 klärte, dass nach seinem Überdenken aufgrund der Coronakrise 80 Prozent seiner Reisen unnötig seien, und der Vorteil sei dabei sogar gewonnene Zeit.
So wird es sehr vielen ergehen. Und es ist tatsächlich so, wenn wir ehrlich sind: Mit gesundem Menschenverstand argumentiert, braucht niemand ein neues Auto, dessen altes Auto noch zuverlässig fährt. Zumal ein altes Auto, das bereits produziert und in Betrieb ist, einen besseren ökologischen Fußabdruck hat als ein Neuwagen und momentan sowieso unklar ist, mit welcher Antriebstechnologie man hinsichtlich Lebensdauer und Investition längerfristig am besten fährt.
Fuß vom Gas
Nehmen wir also ein wenig den Fuß vom Gas. Die Entwicklung der Menschheit verlief technologisch und wirtschaftlich in den vergangenen 150-200 Jahren im Grunde viel zu schnell – zu exponentiell für eine organisch-dynamische, evolutionäre, menschengemäße Entfaltung. Deshalb kam dabei vieles unter die Räder. Nicht nur das Klima und die Natur schlagen nun deshalb zurück.
Die Natur liebt dieses Virus! Alleine in Deutschland seien 2020 im Vergleich zu 1990, also von vor 30 Jahren, die CO2-Emissionen um etwa 35 Prozent gesunken, ist in der Jahresauswertung der Denkfabrik Agora Energiewende zu lesen. Die Pandemie hatte ihren wesentlichen Anteil daran. So gut wie heute ging es der Natur schon lange nicht mehr, sie erholt sich etwas, weil es nicht mehr allzu toll an allen Orten völlig überflüssiger und unnötiger Weise so menschelt. Warum also nicht die Gelegenheit zum Downsizing nutzen? Das hat etwas mit Aufatmen zu tun, mit Loslassen, mit einer neuen Freiheit und Lebensqualität, die nicht zu unterschätzen ist! Es geht nicht um ein Zurück in die Vergangenheit, sondern um eine Neuorientierung raus aus dem Hamsterrad einer völlig überzogenen Konsumgesellschaft. Gott bewahre, wenn die gesamte Weltbevölkerung, also auch die Menschen in Entwicklungsländern und aufsteigenden Staaten zum gleichen Konsum in der Lage wären wie wir in den westlichen Ländern! Nein, der Weg muss und wird uns in eine etwas solidere Bescheidenheitsgesellschaft führen. Es geht um die Freiheit zu sagen, dass wir so vieles nicht brauchen, und dass es uns trotzdem gut geht. Das wird die Tendenz sein. Auch die Wirtschaft dürfte sich über die Zeit nach diesen Maßstäben neu orientieren.
Übrigens hat das Virus sogar bei der US-Wahl friedensstiftend gewirkt: Es hat die Kampfkraft Donald Trumps trotz seiner Fake-News und „alternativen Fakten“ deutlich verringert. Trump, der zuerst wie ein Coronaleugner regiert hat, musste die Richtung ändern, nachdem auch in seinem Umfeld Menschen krank wurden oder Betroffene in der Familie hatten. Die steigende Verunsicherung brachte Trump zum Einlenken, und seine verspätete Einsicht kostete ihn anzunehmender Weise den Wahlsieg.
Geht es um Existenz oder Lebensqualität?
Nun kann man sagen: Gut, dann reißen wir uns eine Zeitlang zusammen, machen es dem Virus möglichst schwer, und wenn alles bei optimistischer Annahme etwa um 2025 ausgestanden ist, kommen wir wieder zur alten Ordnung zurück. Selbst dies wäre atemberaubend schnell im Vergleich zu früheren Pandemien die Jahrzehnte andauerten. Natürlich ist es möglich, dass ein Teil der Bevölkerung und Wirtschaft sobald man das Ende des Tunnels in greifbarer Nähe sieht, sagt, jetzt alles wieder zurück, marsch, marsch, weiter geht’s wie früher. Und jene, die dabei eine wiedergewonnene Freiheit sehen sogar versuchen, alles nachzuholen, sprich nicht wieder 1-2 Kreuzfahrten im Jahr, sondern gleich 3-5i buchen. Jedoch würde selbst dies nach einiger Zeit wieder abebben und auf ein Niveau unter dem alten Normal von vor CoV zurückkommen.
Aber in der Zwischenzeit wird die Spaltung in der Bevölkerung wachsen, die Spannung zwischen den Jungen und den Alten zum einen und die immer drängendere Klimaproblematik zum anderen. Denn auf lange Sicht müssen die Jungen letztlich den Großteil der immensen CoV-bedingten Staatsausgaben sowie die Schuldenlast für die vergangenen Ausuferungen einer in so manchem Land frevelhaften Finanz- und Umweltpolitik sowie einer oft rücksichtlosen Industrie- und Konsumgesellschaft tragen. Ob gerade sie oder alternativ die Rentner es sich so einfach gefallen lassen, den Gürtel dafür deutlich enger zu schnallen, ist fraglich, dies dürfte kein einfacher Verteilungskampf werden.
Deshalb werden wir einen Wandel erleben: Viele werden sich aufs Wesentliche besinnen und akzeptieren, dass es auch ohne Wochenend-Saufparty per Flieger nach Mallorca mit übertriebenem CO2-Fußabdruck zum Schnäppchenpreis geht. Stattdessen tut es jetzt auch der Workout in der freien Natur oder eine schöne Wanderung. In absehbarer Zukunft werden viele Menschen die hochtourige Vor-Corona-Normalität nicht mehr haben wollen. Schätzungsweise wird der Anteil der primär konsum- und spaßorientierten Mitbürger nach und nach von etwa 90 in Richtung 50 Prozent sinken, und der Anteil der bewusster lebenden Menschen wird entsprechend steigen. Das wird auch in der Politik seinen richtungsweisenden Niederschlag finden.
Es werden generell, neben der Frage der Leistbarkeit, zwei Kriterien vermehrt für den Konsum und das Verhalten für die Menschen zählen: Ist das, was wir wollen, existenziell erforderlich, oder steigert es die Lebensqualität?
Und da die Zahl der nachhaltig bewusst lebenden Menschen steigt, wird es für existenzielle und die Lebensqualität steigernde Anliegen und Wünsche Rückenwind geben, für Unwichtiges und umweltschädlichen Komfort und Luxus weit weniger oder sogar Gegenwind. So entsteht eine Art Begründungspflicht. Nebst der inneren vielleicht durchaus auch eine äußere, wie die seit 2019 hochkochenden Debatten über die gesellschaftliche Berechtigung von SUVs zeigt. Die wachsende Menge der „geerdeten Konsumenten“, die vermutlich eben auch so viel Gewicht und Anteil bekommen werden wie die „zügellosen Konsumenten“, werden mit Argusaugen die anderen beobachten, haben aber die Argumente zunehmend auf ihrer Seite.
Man wird sich daran gewöhnen, verschiedene Maßnahmen einzuhalten und es wird ein bisschen weniger von allem. Ein bisschen weniger Saus und Braus, ein bisschen weniger verreisen, ein bisschen weniger Luxus, ein bisschen weniger an großen Auftritten, Festen und Veranstaltungen. Es wird alles ein bisschen handverlesener, exklusiver.
Die künftige Normalität (Post-Covid) dürfte also eher insgesamt kleinere Brötchen backen, eine der kleineren Abmessungen sein.
Genügsamkeit und Besinnung aufs Wesentliche
Eine Lehre aus der Pandemie für jene, die versucht haben, Gott zu spielen, dürfte sein, zu erkennen, dass sie an ihre Grenzen kommen.
Die uns durch das Coronavirus verordnete Kontaktdiät wird ihre Spuren hinterlassen. Diäten haben im Allgemeinen das Problem, dass, falls keine nachhaltige Ernährungsumstellung folgt, meist der Jo-Jo-Effekt zuschlägt. Ähnlich ist es mit CoV, denn hier geht es – der positiven Seite etwas abgewinnend - nicht um eine Lebensführungsdiät, sondern um eine Lebensführungsveränderung. Jede Woche, jeder Monat mehr in dem wir uns vor der Furcht vor dem Virus einschränken, gar im Lockdown befinden, schafft mehr Gewohnheit. Und mehr Gewohnheit schafft mehr Nachhaltigkeit.
Die neue Genügsamkeit und Besinnung aufs Wesentliche wird auch die Wirtschaft ergreifen. Unternehmen werden ihre Ansprüche zurückschrauben und etwas bescheidener werden – es wird vielleicht ein wenig wie nach dem Zweiten Weltkrieg sein. Man wird mit weniger zufrieden sein: Riesengewinne sind nicht mehr so leicht zu machen und zu vertreten; es sind dann die kleineren Gewinne, die für Erfüllung sorgen, die kleineren Schritte, die kleineren Gruppen, die etwas zurückgeschraubten Ansprüche.
Weil das Virus außerdem trotz Impfstoff nicht einfach bald verschwindet, wird es wirtschaftlich weiterhin ein Auf und Ab geben, und das nicht nur in so schwer gebeutelten Sektoren wie der Reise- und Tourismusbranche. In allen Branchen wird sich eine Menge ändern, und das ist – kurioserweise – zugleich der beste Klimaschutz, den wir leisten können. Denn die Umwelt zu schonen, heißt auch Ressourcen zu schonen – und umgekehrt. Die Umwelt schonen zu wollen, aber gleichzeitig auf Wachstum zu setzen, das schließt sich schlicht und einfach aus, das funktioniert nicht. Nur auf technologische und wissenschaftliche Fortschritte sowie noch ein paar Regulierungen zu hoffen oder die Augen davor zu verschließen, reicht nicht, um die notwendige Balance wieder herzustellen. An sich wissen das auch alle, aber viele wollen es nicht wahrhaben. Machen wir weiter wie bisher, wird der Preis nur noch höher, den nächsten Generationen zu bezahlen haben und die gesellschaftliche Spaltung beschleunigen.
Die dazu nötige Haltungsänderung erfordert im Grunde nicht einmal Überzeugungsarbeit, sondern ist logisch. Die Realität infolge von Covid-19 zwingt uns ohnehin dazu. Im Nebeneffekt erfahren auch andere Werte wieder mehr Bedeutung: der Wert der Familie, von Freundschaften, von stabilen Beziehungen. Es wird eine Abkehr geben von Volatilität, Flexibilität und Mobilität hin zu mehr Achtsamkeit, Qualität und Substanz sowie zu einem nachhaltigeren Einsatz von Ressourcen.
Ein ethisch formuliertes Fazit für die Überlegungen zur Post-CoV-Normalität könnte sein: Niedrige Beweggründe fordern künftig einen hohen Preis, hohe Beweggründe fordern einen geringen Preis. Es ist für uns alle, für die Natur und die Erde, für jeden einzelnen Menschen in jedem Alter langfristig sinnvoller und besser, nach hohen Beweggründen zu handeln als nach niedrigen.
Jede Medaille hat eben zwei Seiten. So hat die Pandemie neben ihren vielen tragischen Todesopfern und verheerenden wirtschaftlichen Auswirkungen zumindest den positiven Effekt, uns durch die abrupte Abbremsung auf den Boden zu holen, vieles zu erkennen und neu zu denken. Deshalb werden wir künftig als Nährboden für robusten Erfolg vielfach ein neues Wertesystem, einen anderen Innovationslevel und anstatt der betriebswirtschaftlichen Maxime der Gewinnmaximierung ein anderes Verständnis des Mottos „durch Minimum zum Maximum“ etablieren. Nur so wird der Wandel hin zu für den Post-Covid-Zeitgeist, das 21. Jahrhundert stimmigeren, sozusagen „glücksbringenden“ Geschäfts- und Führungsmodellen gelingen. Ein spannendes Thema mit immensem Potenzial.
Reinhold M. Karner
(RMK Denklabor)
© 4. Januar 2021
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